Exot auf dem Bilderberg
Personalie
Gewerkschaftsbosse mischen sich gerne unters Volk. Anlässe hierfür gibt es reichlich: Der 1. Mai, Arbeitskämpfe, Demonstrationen oder andere politische Aktionen. Am Mittwoch war es wieder so weit. An Hunderten Pendler-Bahnhöfen verteilten Gewerkschafter Informationsmaterialien für eine Stärkung der gesetzlichen Rente an Passanten. Am Ostkreuz in Berlin-Friedrichshain war Frank Bsirske, langjähriger Vorsitzender von ver.di, dabei. Doch in kurzer Zeit verwandelte sich der nette Kumpeltyp vom Bahnhof in eine Person, die sich per Flugzeug zu einem Treffen von Eliten aus westlichen Staaten aufmachte.
Bsirske war erstmals zur Bilderberg-Konferenz eingeladen worden, die dieser Tage im luxuriösen Westfields Marriott Hotel von Chantilly in der Nähe von Washington D.C. stattfindet. Aus seiner Gewerkschaft hieß es, dass sich der 65-jährige Niedersachse mit seinen Positionen an einem »Gedankenaustausch« beteiligen wolle. Was genau zwischen den Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Militär und Wissenschaft besprochen wird, bleibt allerdings geheim. Die Teilnehmer sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Zwar sind sie keine »geheime Weltregierung«, wie Verschwörungstheoretiker gerne behaupten, aber dieser Zirkel steht unter anderem für eine undemokratische Diskussionskultur.
Aus Deutschland kommen etwa Airbus-Chef Thomas Enders, Werner Baumann, Vorstandsvorsitzender der Bayer AG, und der CDU-Politiker Jens Spahn nach Chantilly. Ein kontroverser Meinungsaustausch ist nicht zu erwarten. Dafür ist die politische Ausrichtung der Teilnehmer mit Ausnahme von Exoten, wie dem Kommunistensohn Bsirske, zu homogen. Es geht vielmehr darum, dubiose Seilschaften zu knüpfen.
Vor fünf Jahren hatten einige Grüne kein Verständnis dafür, dass ihr damaliger Fraktionschef Jürgen Trittin bei den Bilderbergern gastierte. Sein Parteikollege Bsirske hat dagegen intern wenig zu befürchten. Er will 2019 ohnehin nicht erneut als Chef von ver.di kandidieren.
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