Hoffnung auf eine Auferstehung

In Hannover-Linden verfällt ein riesiger Betonriegel - wird saniert oder doch abgerissen?

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich glaub nicht mehr dran«, winkt ein Rentner beim Spaziergang am Ufer der Ihme in Niedersachsens Hauptstadt ab. Eine Auferstehung ist es, die der Senior bezweifelt. Nicht die biblische, sondern eine in Hannover. Die schon mehrmals verheißene Wiederbelebung des Ihmezentrums, des monumentalen Betonriegel am Rande des ehemaligen Arbeiterviertels Linden. Der großzügige Geschäftsbereich des Wohn- und Einkaufskomplexes, in den 1970er Jahren entstanden und bejubelt, steht leer, verrottet, ist so gut wie tot. Nun will ihn wieder einmal ein Investor auferwecken. Doch nicht wenige Hannoveraner sehen diesen Plan ähnlich wie der Spaziergänger am Fluss Ihme, der dem Zentrum einst den Namen gab.

Als das großflächige Erdgeschoss mit leeren Läden zunehmend zur Geisterimmobilie verkam, als Brunnen und Bänke verschwanden, Moos und bröckelnder Beton die Einkaufsmeile übernahmen, wuchs die Forderung: »Endlich Abreißen den Schandfleck!« Das klang bitter in den Ohren derer, die sich vor Jahren eine der zweifellos attraktiven 850 Eigentumswohnungen im Ihmezentrum gekauft hatten, nach wie vor recht gern dort zu Hause sind und aus Stockwerken bis zur 23. Etage den Ausblick genießen.

Die meisten im Komplex lebenden Menschen wünschen sich, dass die vor sich hin siechende Geschäftszone wieder lebendig wird. Doch sie sind misstrauisch geworden in Anbetracht vieler blumiger Versprechungen, die nicht erfüllt wurden. Erst trat ein deutscher Sanierer auf die Bildfläche und verschwand wieder. Als vermeintlicher Retter folgte ein Investor aus den USA. Er begann sogar mit Arbeiten am Objekt, rutschte jedoch im Jahr 2009 in die Pleite.

Kommt die Auferstehung des Ihmezentrums nun von dort, wo die biblische stattgefunden haben soll? In Israel ist der Immobilien-Tycoon Amir Dajan zu Hause, zu dessen Imperium auch die Berliner Firma »Intown« und mit ihr die »Projekt Steglitzer Kreisel GmbH« zählt. Jenes Unternehmen hatte vor zwei Jahren 83 Prozent des hannoverschen Komplexes erworben - für gut 16 Millionen Euro.

Doch am Ihmezentrum änderte sich in den folgenden Monaten wenig. Nicht einmal dringende Instandsetzungen habe der neue Eigentümer vorgenommen, schimpften Bewohner und winkten mit Klagen gegen den Investor. Der hüllte sich mit seinen Plänen für eine Wiederbelebung zunächst in Schweigen, erst Ende 2016 legte er Planungen vor.

Demnach soll das Zentrum mit einer zweigeschossigen Shoppingmeile auferstehen, mit Bäumen, begrünten Dächern, Wohnbereichen für Studenten und Senioren. Bis zum Jahr 2022 etwa könne das Ganze dann wieder »Stadt in der Stadt« sein, so wie das Bauwerk in seiner Anfangszeit gern präsentiert worden war. Was das alles kostet? Bis zu 300 Millionen Euro sind im Gespräch.

Immerhin will der Neubesitzer jetzt mit einem ersten Bauabschnitt beginnen, mit dem Sanieren der Fassade, und dazu einen Bauantrag einreichen. Ein Schritt, dem die Stadtverwaltung mit Interesse entgegen sieht, denn sie ist Hauptmieterin der Büroflächen im Zentrum und hat signalisiert: Geht’s mit dem Sanieren nicht voran, verlängert sie den Mietvertrag nicht.

Ehe der Bauantrag jedoch ins Rathaus geschickt werden kann, muss ihm die Eigentümerversammlung des Zentrums zustimmen. Ein Gremium, in dem auch jene Skeptiker sitzen, die - ähnlich wie der Spaziergänger am Flussufer - kaum noch an die Auferstehung an der Ihme glauben.

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