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Trump sieht sich rehabilitiert

Justizbehinderung oder nicht - Streit in den USA über die Konsequenzen der Aussagen von Ex-FBI-Chef Comey

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.

Es dauerte, bis sich auch Donald Trump höchstselbst zur Senatsanhörung des von ihm im Mai gefeuerten FBI-Chefs James Comey meldete - und das wie üblich über Twitter: »Trotz der vielen falschen Aussagen und Lügen, vollständige und totale Rehabilitation...und WOW, Comey ist ein Leaker«, schrieb der Präsident am Freitag. Ein »Leaker« lässt vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit durchsickern. Und ja, Comey musste zugeben, Notizen zu den für ihn so unangemessenen Vier-Augen-Gesprächen mit dem Präsidenten schon vor der Kongressbefragung über einen Freund an Medien weitergegeben zu haben. Er wollte so die Einsetzung eines Sonderermittlers in der »Russland-Affäre« erreichen.

Doch vor allem ist Trumps Reaktion die Retourkutsche für einen Mann, der am Vortag bei seiner Befragung unter Eid der Regierung seinerseits vorgeworfen hatte, »Lügen« zu verbreiten, über ihn und die Umstände seiner Entlassung, über die Bundespolizei. Die Anschuldigungen, dort herrsche ein Durcheinander, seien diffamierend gewesen.

Das FBI ermittelt wegen der angeblichen russischen Beeinflussung der Präsidentschaftswahl im vergangenen November, illegal abgesprochen mit dem Team des republikanischen Kandidaten. Es wäre genauso eine Straftat wie der Versuch des Präsidenten, diese Untersuchung in seinem Sinne zu beeinflussen oder im Fall des geschassten Nationalen Sicherheitsberaters Michael Flynn gleich ganz einzustellen. Auch wenn Comey in seiner Anhörung vor dem Geheimdienstausschuss tatsächlich verneint hat, in der sogenannten Russland-Affäre gegen Trump selbst ermittelt zu haben - die anderen Punkte stehen als Vorwurf nach seinen Aussagen nun im Raum: »Nach meiner Einschätzung bin ich wegen der Russland-Ermittlungen gefeuert worden«, so Comey. Trumps Anwalt Marc Kasowitz wies diese Vorhaltungen zurück. Der Präsident habe vom unabhängig agierenden obersten Polizisten des Landes weder Loyalität verlangt noch gefordert, die Ermittlungen gegen Flynn einzustellen.

»Ich kann definitiv sagen, dass der Präsident kein Lügner ist«, betonte die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Huckabee Sanders. Sein Wahlkampf und die bisherige Amtszeit jedoch belegen etwas anderes - von der Lüge, sein Vorgänger Barack Obama sei außerhalb der USA geboren worden, bis hin zu den angeblich »Millionen Menschen«, die illegal ihre Wählerstimme abgegeben haben sollen. Vertreter der Demokraten sprechen von einem Verhaltensmuster Trumps, das auf Justizbehinderung hinweise. Ein Präsident könne nicht effektiv kommunizieren, wenn es Löcher in seinem Vertrauen gibt und er an Glaubwürdigkeit über die gesamte politische Landschaft hinweg verliert, sagt aber auch Matthew Dowd, der damalige Chefstratege bei der Wiederwahlkampagne des republikanischen Präsidenten George W. Bush. Als »ehrlich und vertrauenswürdig« sehen Trump laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup nur noch 36 Prozent der US-Bürger.

Ob es wirklich einen Fall von Justizbehinderung gebe, soll nun FBI-Sonderermittler Robert Mueller klären, sagte Comey im Kongress. Das sei nicht seine Aufgabe. Es geht also künftig in der Affäre nicht mehr nur um die Frage einer vermeintlichen Moskauer Einflussnahme - wobei Comey hier Justizminister Jeff Sessions weiter belastete, weil der ein drittes Treffen mit dem russischen Botschafter Sergej Kisljak während des Wahlkampfes verschwiegen habe. Die Behinderung oder gar Blockade laufender Ermittlungen wäre zumindest ein schwerer Verstoß gegen politisch-ethische Normen, im schlimmsten Fall sogar ein Straftatbestand. Der Vorwurf der »obstruction of justice« hatte 1974 im Rahmen des Watergate-Abhörskandals zum Rücktritt des damaligen Präsidenten Richard Nixon geführt.

Präsident Trump zeigte sich jetzt in einer Rede vor Anhängern kämpferisch. Seine Bewegung befinde sich in einem Belagerungszustand. »Aber wir werden größer und besser und stärker als jemals zuvor daraus hervorgehen«, tönte er. »Wir werden niemals aufgeben.« Auf Comey könnte durchaus neues Ungemacht zukommen, deutete Trumps Anwalt Kasowitz doch an, dass die Ermittlungsbehörden wegen der Preisgabe vertraulicher Informationen nun auch gegen den ehemaligen FBI-Chef vorgehen könnten. Seite 2

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