Weder Quark noch Granit
Rot-rote Landesregierung spricht ihr letztes Wort zur Kreisgebietsreform
In der Auseinandersetzung um die Kreisgebietsreform hat die rot-rote Landesregierung am Montag ihr letztes Wort gesprochen. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) stellte die Gesetzesentwürfe für die Kreisneugliederung und die Funktionalreform vor, wie sie nun »umgehend dem Landtag zugeleitet werden«.
Eine inhaltliche Überraschung hat es dabei nicht mehr gegeben. In den groben Zügen geht die Landesregierung nicht mehr über die Korrektur hinaus, die sie an den eigenen Plänen vorgenommen hatte, nachdem eine Volksinitiative 129 464 Unterschriften gegen die Reform zusammenbekommen hatte. Aus den gegenwärtig bestehenden 14 Landkreisen und vier kreisfreien Städten sollen im Jahr 2019 elf Landkreise gebildet werden und als kreisfreie Stadt soll nur Potsdam übrig bleiben.
Ausdrücklich erklärte der Ministerpräsident, er werde das geplante Volksbegehren gegen die Kreisreform nicht vor das Landesverfassungsgericht bringen. Die Regierung hätte vom Verfassungsgericht prüfen lassen können, ob das Volksbegehren überhaupt zulässig ist. Die Gegner der Kreisreform wollen notfalls auch noch einen Schritt weiter gehen und die Reform mit einem Volksentscheid verhindern.
Woidke forderte CDU und Freie Wähler auf, ihre »abenteuerlich-negative Polemik einzustellen« und »endlich in einen konstruktiven Dialog einzutreten«. Er berief sich darauf, dass es zu Beginn des inzwischen siebenjährigen Diskussionsprozesses im Landtag eine breite Mehrheit für eine Neugliederung gegeben habe.
Nachdem die Landesregierung von ersten Plänen Abstand genommen hatte und die künftige Eigenständigkeit der heutigen Kreise Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald bestätigt hatte, sowie erklärte, auf einen Großkreis in der Lausitz verzichten zu wollen, geriet sie von zwei Seiten unter Beschuss. Denn die Gegner der Reform witterten Morgenluft und bisherige Mitstreiter mutmaßten nun, dass sich eine Reform in diesem Stadium nicht mehr lohne.
Was jetzt vorliege sei aber »kein Reförmchen, sondern eine Reform«, unterstrich Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) am Montag bezogen auf dergleichen Einwände. Veränderungen würden dort vorgenommen, wo die Bevölkerungsentwicklung dazu zwinge. Die Korrektur beweise, dass die Pläne »eben nicht in Granit gemeißelt waren« und die rot-rote Regierung durchaus bereit gewesen sei, Kritikern entgegenzukommen.
Am Kern der Reform ändert die Koalition nichts. Sie bleibt bei ihrer Absicht, die bislang kreisfreien Städte Brandenburg/Havel, Cottbus und Frankfurt (Oder) mit den umliegenden Landkreisen zu fusionieren. Hier schlägt ihr auch der stärkste Widerstand entgegen.
Finanzminister Christian Görke (LINKE) erklärte am Montag dazu, das Land stelle für diese Umstellung Summen bereit, die »teilweise das Dreifache« dessen betragen würden, was in anderen Bundesländern bei dieser Gelegenheit zugestanden worden sei. Rund 450 Millionen Euro sollen demnach für die Teilentschuldung der Städte, als Anpassungszuschuss und als Mehrbedarfsausgleich aufgebracht werden. Auch sei eine höhere Förderung für die Einrichtungen von Kultur und Kunst an diesen Orten vorgesehen. Auf diese Weise gewinne das Land eine Struktur und eine Aufgabenverteilung, die auch in 20 oder 30 Jahren noch Bestand haben könne.
Unterschriften gesammelt hatten die CDU, die Freien Wähler und die im Moment nicht im Landtag vertretene FDP. Auch die AfD hatte Unterschriften gesammelt und Anschluss an die Volksinitiative gesucht, war aber von den anderen Parteien auf Abstand gehalten worden.
CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben bekräftigte am Montag: »Wir lehnen die Kreisreform ab.« Der Gesetzentwurf sei »ein weiterer Beleg für den Zentralismuswahn der Regierung Woidke und bleibt jede seriöse Begründung für die geplanten Zwangsfusionen schuldig«. Woidke wolle schlichtweg die Umsetzung dieses Projektes erzwingen - »gegen jede Vernunft, gegen die Mehrheit der Brandenburger und trotz der klaren Warnung vieler kommunaler Vertreter«. Senftleben behauptete, mit dieser Reform würden tausende Arbeitsplätze abgebaut, es müssten Steuern und Abgaben erhöht werden und in vielen Regionen würden die Möglichkeiten der demokratischen Mitgestaltung beschnitten.
Der Landtagsabgeordnete Péter Vida (Freie Wähler) urteilte: »Die vorgelegte Fassung trägt den Kritiken und Hinweisen politischer, wissenschaftlicher, gesellschaftlicher und sozialer Akteure in keiner Weise Rechnung.«
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