Heimliche Ausforschung von radikalen Linken
Licht in die dunklen Geheimnisse des Staatsschutzes. Über den Film »Im inneren Kreis« von Hannes Obens und Claudia Morar
Die »Rote Flora«, das 1988 besetzte linke Zentrum, steht mitten auf dem Schulterblatt, dem quirligen Kern des Hamburger Schanzenviertels. Die hier zu vermietenden Lofts sollen kreativ und die Crêpes vegan sein. Dort beginnt die Dokumentation »Im inneren Kreis«, die zeigt, worüber Polizei und Staatsanwaltschaften gerne schweigen - die heimliche Ausforschung von radikalen Linken. Innerhalb von 18 Monaten wurden im Umfeld der »Roten Flora« drei verdeckte Ermittlerinnen (VE) enttarnt, welche zuvor jahrelang die in diesem autonomen Zentrum und in anderen linken Initiativen Engagierten ausgeforscht hatten. Der Film wird in den folgenden Wochen in zwölf deutschen Städten zu sehen sein.
Die im November 2014 als Erste enttarnte Iris P. alias »Iris Schneider« observierte zusätzlich die queere Szene und Bauwagenplätze. In den letzten drei Jahren ihres Einsatzes arbeitete sie auch als Redakteurin beim linken Hamburger Radiosender FSK mit. Im »nd« stand, wie Iris P. Privatsphären verletzt hat - bis hin zu zwei unter falschen Voraussetzungen geführten Liebesbeziehungen mit Zielpersonen. Iris P. hat auch das Pressegeheimnis verletzt und gegen die formaljuristisch geltenden Vorschriften für verdeckte Ermittlungen Verstoßen: In schier geheimdienstlicher Manier griff sie aktiv und lenkend in politische Aktionen ein und beeinflusste die redaktionelle Arbeit des Senders.
Leider hatten die enttarnten Beamtinnen des LKA Hamburg, Abteilung 7 - Staatsschutz, alle Interviewanfragen des Filmteams abgeblockt. Dafür hat Jan Reinecke vom Bund Deutscher Kriminalbeamter Hamburg der Crew ein Interview gegeben, ebenso der ehemalige Bundesanwalt Kay Nehm, der den Einsatz von Iris P. in einem Ermittlungsverfahren des BKA - in Kooperation mit dem Hamburger LKA - genehmigt hatte.
Das Rückgrat des Filmes bilden Interviews mit Ausgeforschten, die zunächst Vertrauen zur Filmcrew finden mussten. Schließlich setzten sich Aktive aus der Roten Flora zu viert vor die Kamera, ihre Schilderungen ergänzen sich gut. Auch in Heidelberg enttarnte 2012 eine studentische Initiative den auf sie angesetzten Verdeckten Ermittler - zwei Studenten schildern rückblickend ihre Ungläubigkeit darüber, dass ihre Aktivitäten polizeilich bespitzelt wurden. Auch hier - keine Auskunftsbereitschaft der Polizeiführung oder des Innenministeriums.
Die einzige im Film befragte Politikerin bringt pointiert ihre Kritik an den Einsätzen der VEs zum Ausdruck. Christiane Schneider, Abgeordnete der LINKEN in der Hamburgischen Bürgerschaft, will begangenen Rechtsverstöße aufklären, sie setzt sich auch für die vorschriftsmäßige Vernichtung der von den VEs unrechtmäßig erhobenen Daten ein. Am Schreibtisch sitzend, erläutert sie den Revisionsbericht der Innenbehörde zum Einsatz von Iris P. und eine Kleine Anfrage, welche die Politikerin an den Hamburger Senat gerichtet hatte: Wie viele verdeckte Ermittler*innen waren seinerzeit im Einsatz? »Ich habe darauf keine Antwort erhalten«, so Christiane Schneider. »Das ist geheim!«
Dank des Dokfilmes »Im inneren Kreis« kommt nun auf den Kinoleinwänden etwas Licht in die dunklen Geheimnisse des Staatsschutzes.
»Im inneren Kreis«. Regie: Hannes Obens und Claudia Morar. Deutschland 2017, 83 Min. Kinotermine unter: www.iminnerenkreis-doku.de
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