Demonstrative Harmonie
In Kiel einigten sich CDU, Grüne und FDP auf einen recht unverbindlichen Koalitionsvertrag
38 Tage nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein lief es über den Nachrichtenticker: Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, Grünen und FDP erfolgreich abgeschlossen! Am Freitag wird der sogenannte »Jamaika«-Vertrag mit den Unterschriften der Parteispitzen versehen, anschließend muss ihn die Basis der drei Parteien noch durchwinken, bevor am 28. Juni CDU-Landesvorsitzender Daniel Günther als Ministerpräsident gewählt werden kann.
Der drei Wochen andauernde Verhandlungsmarathon wurde somit trotz zwischenzeitlichen Krachs gemeistert. Nun bedarf es noch der Zustimmung durch einen CDU-Parteitag am 23. Juni. Für die FDP soll nach einem Meinungsvotum durch die Basis der nicht öffentlich tagende Landeshauptausschuss am 26. Juni entscheiden. Die Grünen initiieren eine am Montag startende einwöchige Online-Befragung ihrer 2400 Mitglieder; sie absolvieren dazu noch einige Informationstreffen im Land und einen Parteitag am 19. Juni.
Finanzministerin soll Monika Heinold (Grüne) bleiben. In der abgelösten Küstenkoalition mit SPD und Südschleswigschem Wählerverband war sie strenge Sparkommissarin. Unter dem »Jamaika«-Banner sollen nun 500 Millionen Euro mehr investiert werden - entsprechend der Wahlversprechen sind es vor allem Vorschläge aus den Reihen der CDU. Mehr Gelder sollen in den Straßenbau, den öffentlicher Nahverkehr und die Breitbandversorgung fließen. Auch die Kitas, Schulen und Hochschulen, sowie Krankenhäuser und der Sport sollen besser ausgestattet werden.
Zwar wird der Landesmindestlohn - liegt bei 9,99 Euro und damit höher als im Bund - abgeschafft, dafür konnten FDP und Grüne aber durchsetzen, dass es im nördlichsten Bundesland weder Schleierfahndung, noch anlasslose Datenzugriffe geben wird. Die bildungspolitische Rolle rückwärts mit der Abkehr vom Turbo-Abi, wofür die CDU geworben hatte, wird voraussichtlich erst ab dem Schuljahr 2019/20 erfolgen.
Für den Bereich Windenergie soll ein Repowering das Aufstellen weiterer Windkrafträder eindämmen. Größere Abstandsregeln und eine rechtliche Prüfung sollen Ausbaugegner beruhigen. Dafür, dass die Grünen bei ungeliebten Verkehrsprojekten Kompromisskröten schlucken, bekommen sie die Zusage für die Erweiterung des Radwegenetzes.
Etliche Passagen im »Jamaika«-Papier scheinen mehr rhetorischer denn inhaltlicher Natur und mit Unverbindlichkeit ausgestattet, damit alle drei Parteien ihr Gesicht wahren können. Bei der Flüchtlingspolitik zum Beispiel wird die Humanität zum Leitkriterium erkoren, ohne inhaltlich konkret zu werden. Das kann fürs praktische Regieren zu einer Belastungsprobe werden.
Das wiederum erfordert eine geschickte Personalpolitik. Die zum Teil neuen Ressortzuschnitte im Kabinett wurden am Mittwoch offiziell, die Ministerposten dahinter kursieren seit einigen Tagen. Heinold bleibt Finanzchefin, bekommt aber einen zusätzlichen Staatssekretär im Hinblick auf den Arbeitsaufwand wegen der Zukunftsbewältigung der notleidenden HSH Nordbank.
Robert Habeck (Grüne) bleibt verantwortlich für Umwelt und Landwirtschaft und erhält den Bereich Digitalisierung hinzu. Die FDP stellt mit dem Landesvorsitzenden Heiner Garg den Bereich Soziales, Familie und Gesundheit. Wirtschaft und Verkehr obliegt ebenfalls den Liberalen, die dafür wohl Bernd Buchholz benennen werden. Die CDU übernimmt das Justizressort mit den zusätzlichen Bereichen Gleichstellung und Verbraucherschutz. Den Posten soll die Bundestagsabgeordnete Sabine Sütterlin-Waack einnehmen.
Für die Innenpolitik und neuerdings Landesentwicklungsplanung hält sich Hans-Joachim Grote, bisher Oberbürgermeister in Norderstedt, bereit. Als neue Schulministerin mit den zusätzlichen Aufgaben Wissenschaft und Kultur ist Bildungsexpertin Karin Prien aus Hamburg vorgesehen. Die CDU stellt in Schleswig-Holstein damit erstmals seit 1988 wieder einen Schulminister.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.