Erdogans Exempel

Personalie

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 2 Min.

25 Jahre Gefängnis für geheime Waffenlieferungen in beträchtlichem Ausmaß aus der Türkei an illegale syrische Milizen - selbst das wäre eine harte Strafe gewesen. Aber weit gefehlt. Bestraft wurde am Mittwoch von einem Istanbuler Gericht nicht der Lieferant und schon gar nicht die Mordbanden in Syrien, sondern der Mann, der den Skandal an die Öffentlichkeit brachte: Enis Berberoğlu, Parlamentsabgeordneter der Republikanischen Volkspartei (CHP), der größten Oppositionskraft im Lande.

Berberoğlu hatte seine offensichtlich den Tatsachen entsprechenden Informationen im Mai 2015 an die Istanbuler Zeitung »Cumhuriyet« weitergegeben und seinen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan damit an einem äußerst wunden Punkt erwischt: der Versorgung syrischer Dschihadisten über die Türkei mit Waffen und anderem kriegswichtigen Material in großen Transportfahrzeugen über die Türkei und - was damit nicht länger zu leugnen war - der aktiven Kollaboration der türkischen Regierung.

»Cumhuriyet«-Chefredakteur Can Dündar traf der Bannstrahl des offiziell im Kampf mit dem Islamischen Staat stehenden und nun der Lüge überführten Präsidenten sofort. Er flüchtete, um die über ihn verhängte Haftstrafe nicht antreten zu müssen, schon 2015 nach Deutschland. Berberoğlu blieb und sieht nun einer Haftstrafe entgegen, verurteilt wegen des absurden Vorwurfs der Spionage gegen den türkischen Staat.

Der 61-jährige Berberoğlu ist seit 2015 Istanbuler Abgeordneter für die sich als sozialdemokratische Partei verstehende CHP. Als stellvertretender Parteivorsitzender ist er für Verbindungen zu den Medien und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich. Akademische Abschlüsse erwarb der Mann, der von sich sagt, sozialistische Wurzeln zu haben, sich selbst aber als Sozialdemokrat bezeichnet, an zwei renommierten Istanbuler Einrichtungen: der Boğaziçi(Bosporus)-Universität und dem St.-Georgs-Kolleg, einer türkisch-österreichischen Hochschule.

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