US-Justiz erlässt Haftbefehle gegen Erdogans Personenschützer
Reaktion auf Ausschreitungen vor der türkischen Botschaft in Washington im Vormonat / Ankara bestellt aus Protest US-Botschafter ein
Washington. Nach den Ausschreitungen vor der türkischen Botschaft in Washington im Mai haben die US-Behörden am Donnerstag Haftbefehle gegen zwölf Personenschützer des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan erlassen. Die Männer werden beschuldigt, am 16. Mai auf Demonstranten losgegangen zu sein, wie die Polizei am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Washington bekannt gab. Erdogan übte am Abend in Ankara scharfe Kritik an den Haftbefehlen und warf den amerikanischen Sicherheitskräften vor, ihn nicht beschützt zu haben.
»Was ist das für ein Gesetz, was ist das für eine Justiz?«, fragte Erdogan nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu bei einer Ansprache zum Fastenbrechen. »Wenn diese Leibwächter mich nicht beschützen sollen, wozu soll ich sie dann mit mir nach Amerika nehmen?« Bei den nur 40 bis 50 Meter entfernten Demonstranten habe es sich um Anhänger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen gehandelt. Die amerikanische Polizei sei nicht gegen die Demonstranten eingeschritten.
Neben den zwölf Personenschützern fahnden die Ermittler nach zwei weiteren Menschen, denen sie ebenfalls eine Beteiligung an den Gewalttaten vorwerfen. Bereits am Mittwoch gab es zwei Festnahmen.
Das Außenministerium in Ankara lud am Donnerstagabend den US-Botschafter zu einem förmlichen Gespräch ein. Ihm sei übermittelt worden, dass die Entscheidung der US-Behörden »schlecht, unausgewogen und ohne rechtliche Grundlage« sei, erklärte das Ministerium. Erdogan kündigte einen »politischen und juristischen Kampf« gegen die Haftbefehle an. Der US-Polizei legte er schwere Versäumnisse zu Last. Diese habe es zugelassen, dass sich »Terroristen« ihm auf 50 Meter hätten nähern können, sagte der Staatschef.
Eine Sprecherin von US-Außenminister Rex Tillerson sagte, die USA würden keinesfalls dulden, dass Einzelne Gewalt anwendeten, um die Redefreiheit und die Freiheit legitimer politischer Meinungsäußerung zu unterdrücken. »Wenn die Ermittlungen beendet sind, wird das Außenministerium entscheiden, ob weitere Schritte nötig sind«, sagte sie. Es würden mehrere Optionen geprüft. Sie räumte ein, dass den Verdächtigen nur der Prozess gemacht werden könne, wenn sie in die USA zurückkämen.
Die Ausschreitungen ereigneten sich am Rande eines Besuchs Erdogans in Washington. Videomitschnitte zeigen, wie Sicherheitsleute brutal auf Demonstranten eintreten. In einem Video ist zu sehen, dass Erdoganpersönlich Zeuge der Ereignisse wird, sich aber nicht ins Geschehen einmischt. Elf Menschen wurden bei den Handgreiflichkeiten verletzt, neun davon mussten im Krankenhaus behandelt werden. Agenturen/nd
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