Pferdegeruch ist kein Schweinemief

Gericht in Niedersachsen erlaubt Umbau eines Rinderstalls zum Rossquartier

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Wo früher Kühe muhten, sollten künftig Pferde wiehern, dachte sich ein Züchter in Isernhagen bei Hannover und beschloss: Der alte Rinderstall wird dafür hergerichtet! Ordnungsgemäß beantragte der Mann den Um- und Ausbau bei der zuständigen Behörde, der Region Hannover, bekam von ihr die Genehmigung fürs Pferdequartier. Insgesamt 16 Rösser nebst Fohlen sollten dort Einzug halten.

»Denkste, nicht mit mir«, so reagierte ein Nachbar. Sein Argument gegen die Stallpläne: Pferde riechen unangenehm, und für Menschen, die ganz in ihrer Nähe wohnen, sei das auf Dauer nicht zumutbar. Gesagt, geklagt, und im April gab das Verwaltungsgericht in Hannover der empfindlichen Nase vorerst Recht. Im Eilverfahren schob es der bereits erteilten Baugenehmigung einen Riegel vor. »Vorläufigen Rechtsschutz« nennen Juristen so etwas. Das Gericht gewährte ihn seinerzeit, weil nicht auszuschließen sei, dass von den Pferden eine unzulässige Geruchsbelästigung ausgehen werde.

Zweifel bestünden daran, ob für Pferde und Rinder »bezüglich der Geruchsbelastung derselbe Gewichtungsfaktor anzulegen sei«, meinte die Verwaltungsjustiz in der Landeshauptstadt und konstatierte: Die Frage, »wie die Geruchsqualität der Tierart Pferd« zu bewerten sei, bedürfe einer »eingehenden wissenschaftlichen Überprüfung«.

Der Züchter aber wollte sein Vorhaben nicht aufgeben, erhob Beschwerde gegen den Spruch aus Hannover. Nun musste sich die zweite Instanz, das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg, mit der Sache befassen und klären: Sind die Ausdünstungen der Familie Pferd schlimmer als die Gerüche aus einem Kuhstall? Ein solcher war ja seit Jahren erlaubt auf besagtem Grundstück. Wer nun aber mutmaßt, die Richter hätten sich bei ihrer Entscheidung womöglich von individueller Sympathie für würzige Landluft bewegen lassen, irrt sehr. Wie so vieles in Deutschland, sind auch Gestank und dessen Bewertung präzise geregelt. So auch in Niedersachsen. Den Tiermief dort klassifiziert das Umweltministerium nach »Gewichtungsfaktoren«. In die Kategorie 0,5 sind beispielsweise Milchkühe eingeordnet, Schweine in die Stinkeklasse 1, Mastgeflügel führt aufgrund seines intensiven Geruchs mit 1,5. Aber Pferde, so nun das OVG-Urteil, seien »aller Voraussicht nach nur mit dem Gewichtungsfaktor 0,5 - wie etwa für Rinder - anzusetzen, weil sie deutlich geringere Geruchsemissionen verursachen als Schweine«.

Doch dies war nur einer der Gründe für den Richterspruch, der den Bau erlaubt. Zugunsten des Züchters fiel die Entscheidung auch aus, weil die Pferde nur etwa ein halbes Jahr im strittigen Stall zubringen. Die Nachbarschaft müsse das andere halbe Jahr den Geruch ja nicht hinnehmen, gab das OVG zu bedenken. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Pferde »in einem durch Tierhaltungen stark vorbelasteten Gebiet« gehalten werden. Das erhöhe »die Pflicht der Nachbarn, Gerüche hinzunehmen«. Diese - laut OVG unanfechtbare - Entscheidung dürfte zugleich ein Signal an Bau- und Ansiedlungswillige sein, die so gern »ruhig und idyllisch auf dem Lande« leben wollen, nach Bau oder Kauf eines Häuschens aber feststellen: »Igitt, hier riecht es ja nach Schwein!« Doch gegen einen Landwirt, der im Dorf seit Generationen jene Borstentiere züchtet, werden Zugereiste wohl kaum erfolgreich anstinken können.

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