Die Rückkehr Gerhard Schröders

Seit einiger Zeit haben sich die SPD-Spitze und der Altkanzler wieder angenähert

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.
Schröder mit dem Steiger-Chor.
Schröder mit dem Steiger-Chor.

Gerhard Schröder will sich wieder stärker in der SPD engagieren. Bevor Parteichef Martin Schulz seine Rede beim Bundesparteitag am Sonntag in Dortmund halten wird, ist ein Grußwort des Altkanzlers geplant. Das ist durchaus bemerkenswert, weil Schröder von 2007 bis 2015 nicht mehr bei Parteitagen der SPD aufgetreten war. In dieser Zeit rechneten Parteilinke mit seiner Agenda-Politik ab und verlangten inhaltliche Änderungen. Daraufhin lavierte die SPD zwischen sozialen Versprechen und einer Realpolitik, die sich geringfügig vom Kurs der Union unterscheidet.

Inzwischen bewegt sich die SPD sogar in Wahlkampfzeiten in die politische Mitte. Im Entwurf für das Wahlprogramm, das am Sonntag beschlossen werden soll, ist ein Steuerkonzept enthalten, das vor allem für Angehörige der Mittelschichten Vorteile bringen würde. Staatliche Investitionen sollen unter anderem in die Aufrüstung der Polizei sowie in Überwachungsmaßnahmen fließen. Das alles dürfte Schröder gefallen.

Offensichtlich gibt es für die Entscheidung der sozialdemokratischen Führung, ihren einstigen Kanzler einzuladen, auch einen praktischen Grund. Einem Spitzenvertreter des gastgebenden Landesverbands würde es nach der kürzlich erlittenen Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen schwerfallen, Optimismus im Bundestagswahlkampf zu verbreiten. Schröder hat immerhin einen Bezug zu NRW. Er wurde vor 73 Jahren im heutigen Kreis Lippe geboren und ist Fan des Fußballvereins Borussia Dortmund.

Außerdem hat die SPD-Führung weitere Pläne mit Schröder. Nach einem Bericht von »Spiegel Online« laufen derzeit Gespräche über gemeinsame Auftritte von ihm und Schulz im Wahlkampf. Auf diese Idee sind auch Vorgänger des aktuellen SPD-Kanzlerkandidaten gekommen. Vor der Bundestagswahl 2013 teilte sich Peer Steinbrück mit Schröder in Hannover eine Bühne. Geholfen hat Steinbrück diese Verbrüderung mit dem Altkanzler nicht. Er erreichte nur 25,7 Prozent der Stimmen und verlor die Wahl deutlich gegen CDU-Amtsinhaberin Angela Merkel.

Wegen Schröders Politik des Sozialabbaus hat die SPD seit dem Beginn dieses Jahrhunderts Millionen von Wählern sowie Zehntausende Mitglieder verloren. Auch seine Tätigkeit beim russischen Erdgasriesen Gazprom ist bei den Sozialdemokraten auf keine allzu große Begeisterung gestoßen.

Trotzdem bekennt sich die engere SPD-Spitze im Kern weiterhin zu den von Schröder und seinen Mitstreitern durchgesetzten »Reformen«, die allerdings durch kleine Änderungen ergänzt werden sollen. Ein Beispiel hierfür ist der in dieser Legislatur eingeführte Mindestlohn. Die von Schulz unterbreiteten Vorschläge zur Besserstellung von Erwerbslosen, die an einer Weiterqualifizierung teilnehmen, stellen ebenfalls keinen Bruch mit Schröders Politik dar.

Die Entwicklung der SPD lässt sich auch dadurch erklären, dass an den Schalthebeln im Willy-Brandt-Haus noch immer einige Politiker sitzen, die sich Schröder persönlich verbunden fühlen. Er und Schulz hatten einige Jahre im SPD-Vorstand zusammengearbeitet. Diesem Gremium gehört Schulz seit 1999 an. Im selben Jahr wurde Schröder zum Parteivorsitzenden gewählt. Er behielt das Amt bis 2004. Bei der Vorstellung eines von Schröder geschriebenen Buchs bekannte sich Schulz vor dreieinhalb Jahren zu den »FroGS«, den »Friends of Gerhard Schröder«.

Die SPD-Führung und Schröder scheinen in der Koalitionsfrage mitunter mit einer Stimme zu sprechen. Im Mai sagte Schröder dem »Münchner Merkur«, dass »eine Partei, die wie die LINKE europaskeptisch ist und aus der NATO austreten will, nicht koalitionsfähig ist«. Wenige Tage später verkündete Schulz in der ARD, wer »multilaterale Verpflichtungen« Deutschlands in UNO, NATO, Euro und EU in Frage stelle, »der kann reden, mit wem er will, aber sicher nicht mit mir«. Aus Sicht von Schröder sollte die SPD nach der Bundestagswahl im September auf eine Koalition mit der neoliberalen FDP und den Grünen setzen. Auch in der SPD-Führung wird diese Variante präferiert.

Programm, Kandidat und Strategie haben dazu geführt, dass die SPD in Umfragen auf den gleichen Stand wie vor vier Jahren abgerutscht ist. Eine Erhebung des Instituts Yougov ergab nun, dass die Sozialdemokraten unter anderem in den Bereichen Arbeit und Beschäftigung sowie soziale Sicherung deutlich an Zuspruch verloren haben. Für eine Kehrtwende der Partei vor der Bundestagswahl dürfte es mittlerweile zu spät sein.

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