Ist das Satire oder kann das weg?

Fabian Hillebrand über zwei Parteijugenden, die statt auf der Karl-Marx-Allee lieber auf der Helmut-Kohl-Straße flanieren würden

  • Fabian Hillebrand
  • Lesedauer: 3 Min.

Bezirksverbände der Jungen Union und der Jungen Liberalen fordern, alle nach Karl Marx benannten Straßen im Rhein-Main-Gebiet in Helmut-Kohl-Straßen umzubenennen. Dank und Ehre wollen die beiden Parteijugendorganisationen dem dahingeschiedenen Altkanzler zollen. Helmut Kohl verdanke man die bürgerliche Revolution in der DDR, schreiben die Bezirksvorsitzenden Yannick Schwander (JU) und Linus Vollmar (JuLis). »Statt dem Vordenker der menschen- und freiheitsfeindlichen Ideologie des praktischen Kommunismus«, wie die junge Union Karl Marx nennt, noch mehr Raum zu schaffen, wolle man den Kämpfer für Freiheit und Demokratie Helmut Kohl die Ehre erweisen. Deshalb ruft die Junge Union zusammen mit den Jungen Liberalen die Gemeinden und Städte im Rhein-Main Gebiet dazu auf, alle Karl-Marx Straßen in Helmut-Kohl Straßen umzubenennen. Warum nicht gleich die Heiligsprechung des Altkanzlers fordern?

In der Begründung der Umbennenungsinitiative wimmelt es nur so von Absurditäten: Dort wird von 17 Millionen Gefangenen der DDR-Diktatur fabuliert. In Anbetracht der Einwohnerzahl und Geburtenrate lebten zwischen 1949 und 1989 ungefähr 29 Millionen Menschen im »Arbeiter und Bauernstaat«. Die von den Jungparteilern so flapsig verwendete Zahl von 17 Millionen bezieht sich anscheinend auf das Jahr 1989, als in der DDR zwischen 16 bis 17 Millionen Menschen lebten. Sich die ganze DDR als riesiges Gefängnis vorzustellen, ist genauso absurd wie geschichtsvergessen. Zusätzlich würde man damit die allgemeine Grundannahme aufstellen, die nach dem Credo verfährt: »Alle waren Opfer des Systems.« Ein solches Credo ist überhaupt nicht dazu geeignet, eine ehrliche Aufarbeitung des DDR-Unrechts zu leisten, die es ja tatsächlich auch gegeben hat.

Des Weiteren öffnet Kohl dann tatsächlich allen diesen Gefangenen mal eben die Tür zu Freiheit und Demokratie. Bert Brecht fragt in seinem Gedicht »Fragen eines lesenden Arbeiters« wer das siebentorige Theben aufgebaut hat. Und fragt sich, ob es die Könige waren, die die Felsbrocken heranschleppten. Bei der Jungen Union möchte man fragen, ob Kohl wirklich den DDR-Bürgern die Tür zu Freiheit und Demokratie öffnete. Und wenn ja, tat er das allein? Welche Rolle spielten die DDR-Oppositionellen in der ganzen Inszenierung? Die 1989 auf die Straße gingen? Achja, die waren ja passive Gefangene.

Man kann es pietätlos finden, dass die Junge Union gemeinsam mit den Jungen Liberalen populistische Forderungen auf Kosten des größten deutschen Ökonom und Philosophen Karl Marx macht. Und vielleicht ist es Ausdruck davon, dass sich in solchen Jungendorganisationen nur noch Karrieristen mit Tunnelblick sammeln. Oder dem Elend an der deutschen Universitäten, an denen man ein Studium der Volkswirtschaftslehre durchlaufen kann, ohne sich mit dem Kapital auseinandergesetzt zu haben. Es ist aber auch pietätlos, nur einige Tage nach seinem Tod den Namen Helmut Kohls für Spaßanträge zu missbrauchen. So fragt man sich am Ende nur noch: Ist das Satire, oder kann das weg?

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