Der Besuch der alten Dame
Personalie
Gesucht: eine 91-Jährige, die am Mittwoch im britischen Oberhaus vor zahlreichen Zeugen eine kurze Rede gehalten und sich dann aus dem Staub gemacht hat. Sie trug eine Kopfbedeckung mit gelb-blauen Blumen, soll also Sympathisantin der EU sein. Der heimliche Herrscher Britanniens, Medienzar Rupert Murdoch, soll außer sich vor Wut sein. Die Alte soll vor ihrem Auftritt gemurmelt haben »Same procedure as every year« sowie »Wer hat mir die Krone geklaut? Ach, da liegt sie«. Aus Scotland Yard wird gemeldet, die Fahndung soll im Buckingham Palast sowie auf der Pferderennbahn von Ascot bei London fortgesetzt werden, wo viele Zuschauer am Mittwoch eine ähnliche Erscheinung gesehen haben wollen.
Könnte Elizabeth II. heimliche Sympathien für die EU hegen? Die Frage ist nicht ganz abwegig, stammen doch ihre Vorfahren aus Hannover bzw. Sachsen-Coburg-Gotha und ihr Ehemann Philip aus Griechenland. Ihre Mutter kam gar aus Schottland, dessen Bürger mit stolzen 62 Prozent für den EU-Verbleib gestimmt haben. Allerdings: Die Queen hat seit der Thronbesteigung 1952 ihre politischen Sympathien wohlweislich für sich behalten. Gegenbeispiele schrecken ab: König Charles I. hat einen Bürgerkrieg angefangen und wurde 1649 einen Kopf kürzer gemacht. Elizabeths abgedankter Onkel, Edward VIII., desertierte als Regimentschef beim Kriegsausbruch 1939 und soll Hitler-Emissären gegenüber die Bitte geäußert haben, im Falle einer erfolgreichen deutschen Invasion mit seiner US-amerikanischen Ehefrau wieder Staatsoberhaupt werden zu dürfen. Elizabeths Sohn, Kronprinz Charles, soll dauernd Minister mit handgeschriebenen Episteln nerven. Dessen Sohn, Prinz Harry, meint gar, keiner vom Hause Windsor wäre gern Monarch, sondern nur aus Pflichtgefühl. Aber seine Oma weiß es besser: Weiter dienen, und Schweigen ist Gold. Und wenn sie die von Beratern ihrer ehrenwerten Premierministerin May geschriebene langweilige Rede verlesen muss: in neun Minuten abspulen und ab zur Pferderennbahn.
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