Staatstrojaner im «Justizfeger» versteckt
Kritiker sehen in neuen Möglichkeiten der Überwachung eine Gefahr für Innere Sicherheit
«Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes, der Strafprozessordnung und weiterer Gesetze», heißt das Ungetüm, das am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden sollte (nach Redaktionsschluss). Den Antrag dazu stellten die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD.
Im Hausjargon nennt man die Vorlage «Justizfeger». Es geht um die Ausweitung des Fahrverbots für Kleinkriminelle, um neue Regelbeispiele bei illegaler Beschäftigung oder die Art und Weise, wie man im Gerichtssaal Mitschnitte anfertigen darf. Doch in all dem Wust von schwer verständlichen Textänderungen steckt ein grober Eingriff in die Bürgerrechte.
Die Hürden für den Einsatz amtlicher Schadsoftware, Staatstrojaner genannt, werden erheblich gesenkt. Man darf sie demnächst in die Endgeräte einschleusen, um Kommunikation über Messenger-Dienste wie WhatsApp, Telegram oder Skype mitzulesen. Im Gegensatz zu den offenen SMS gelingt das nur, wenn man die Nachrichten abfängt, bevor sie verschlüsselt sind. Denn nicht einmal die Anbieter selbst kommen dann noch ran.
Eines der «krassesten Überwachungsgesetze in dieser Legislaturperiode», empört sich Jan Korte, Vizechef der Linksfraktion. Es zeuge von einer «extrem legeren Einstellung» zu unserer Verfassung, den Grundrechten und den demokratischen Prinzipien allgemein«. Die Opposition sowie juristische und technische Sachverständige führen Datenschutzrisiken ins Feld und verweisen darauf, dass das Bundesverfassungsgericht solche Staatstrojaner nur als rechtmäßig anerkennt, wenn eine konkrete Terrorgefahr besteht. Doch auch dann durfte sich bislang nur das Bundeskriminalamt auf richterliche Anordnung in fremde Software schleichen.
Die Gesetzesbefürworter meinen, dass man Smartphones und ähnliche Geräte nur bei Verdacht auf schwere Straftaten angreifen wolle. Doch so ein richterlicher Antrag ist zu jeder Zeit eine Frage der geschickten Formulierung. Union und SPD übersehen zudem, dass die Durchsucher ihre Neugier nicht auf eine konkrete Nachricht beschränken müssen. Sie können das gesamte Smartphone auslesen, den Inhalt speichern, ihn mit anderen Daten verknüpfen.
Die rechtlichen Grenzen der sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung lassen sich technisch kaum umsetzen. Das sei daher de facto eine Online-Durchsuchung, sagen beispielsweise Experten des Chaos Coputer Clubs. Andere Kritiker sprechen von einer »Onlinedurchsuchung light«. Sie haben auch deshalb Bedenken, weil mit dem Staatstrojaner bestehende Software-Sicherheitslücken ausgenutzt werden. Mit zunehmender Anwendung solcher Trojaner könnten auch Dritte hinter diese Schwachstellen kommen und sie nutzen. Was generell die Sicherheit im Datenverkehr mindert.
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