Berlin will weiter nach Afghanistan abschieben
Bundesregierung sagt für kommende Woche geplanten Flug ab - weil Botschaft in Kabul noch nicht arbeitsfähig ist / Ausweisungen also nur verschoben
Berlin. Die Bundesregierung hat nach Informationen des Nachrichtenmagazins »Der Spiegel« einen für kommenden Mittwoch geplanten Abschiebeflug nach Afghanistan abgesagt. Die deutsche Botschaft in Kabul könne die Aufnahme der Rückkehrer nach dem schweren Anschlag vor einigen Wochen nicht ausreichend unterstützen, zitierte der »Spiegel« Regierungskreise. Grundsätzlich halte die Bundesregierung politisch an den Abschiebungen fest, hieß es weiter. Im Internet hatte die Meldung von der Absage des Fluges bereits Freude ausgelöst. Es lohne sich, Widerstand gegen Abschiebungen zu demonstrieren, hieß es.
Ursprünglich sollte demnach am Mittwoch erneut ein Charter-Flieger mit abgelehnten Asylsuchenden aus Leipzig nach Kabul fliegen. Das Bundesinnenministerium bestätigt solche Flüge nicht, um eventuelle Proteste zu verhindern und die Abschiebungen nicht zu gefährden. Befürchtet wird, dass Betroffene untertauchen. Mit dem Flug von Leipzig nach Kabul sollten demnach abgelehnte afghanische Asylsuchende in ihre Heimat zurückgebracht werden.
Die Bundesregierung hatte Abschiebungen bislang damit gerechtfertigt, dass es in Afghanistan »sichere Gebiete« gebe, in denen abgeschobene Asylsuchende unterkommen könnten. Nach einem verheerenden Sprengstoffanschlag nahe der deutschen Botschaft in Kabul mit mehr als 150 Todesopfern Ende Mai hatte sie jedoch entschieden, Abschiebungen nach Afghanistan vorläufig weitgehend auszusetzen. Für Straftäter, Gefährder und Menschen, die ihre Identität nicht preisgeben wollen, gilt der vorläufige Abschiebestopp allerdings nicht. Eine neue Bewertung der Sicherheitslage in Afghanistan durch das Auswärtige Amt soll bis Juli vorliegen. Die Abschiebungen stehen wegen der schlechten Sicherheitslage in dem Land schon seit längerer Zeit in der Kritik.
Die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen hält derweil an ihrer Entscheidung fest, keine Abschiebungen in das Bürgerkriegsland zuzulassen. Das berichtet die »Thüringer Allgemeine«. Das Land lasse sich nicht in sichere und unsichere Gebiete unterteilen, wird Migrationsminister Dieter Lauinger von den Grünen zitiert. Auch spreche nichts dafür, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan kurz- und mittelfristig verbessere. Lauinger nannte einen »dauerhaften Abschiebestopp nach Afghanistan« dringend geboten. Agenturen/nd
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