Seit 300 Jahren gegen die Oderflut

Ältester Deichverband im Oderbruch feierte Jubiläum - Abschluss der Deicherneuerung läuft

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 5 Min.

Wohl nie zuvor war das Land westlich der Oder so gut vor Überschwemmungen und Flutkatastrophen geschützt wie heute. Das Land hat seit 1997 an Oder, Elbe und Nebenflüssen rund 276 Kilometer Deiche saniert, neu gebaut oder rückverlegt. Etwa 473 Millionen Euro hat es dafür ausgegeben. Auf dem deutsch-polnischen Grenzfluss wechseln sich Jahr für Jahr Perioden von Hoch- und Niedrigwasser ab. Wenn im Winter Packeis den Abfluss des Wassers blockiert oder Tauwetter und schwere Niederschläge den Strom und seine Zuflüsse überfordern, kann der Pegel gefährlich anschwellen. Besonders stark bedroht ist dann das rund 80 000 Hektar große Oderbruch, das in weiten Teilen unterhalb des mittleren Oderpegels liegt.

Der kleine Ort Gusow im Oderbruch war in der letzten Woche ganz aus dem Häuschen, denn am Freitag hatte der Gewässer- und Deichverband Oderbruch (GEDO) zum großen Tag der Offenen Tür an die Alte Oder geladen. Für das »Oderbruchfest« hatten Verband, Gemeinde und zahlreiche Helfer das Areal rund um das Schöpfwerk an der Landesstraße nach Letschin hergerichtet. Das THW hatte die Schwimmbagger des Deichverbandes, die die Alte Oder von Bewuchs freihalten, umgesetzt und dort ein Shuttledienst zwischen Parkplatz und Festgelände eingerichtet.

Dort herrschte am Freitag Volksfeststimmung. Neben Technik- und Maschinenvorführungen des GEDO gab es Führungen durch das sanierte Schöpfwerk, die Landesarchäologie Potsdam und das Dorfmuseum Gusow-Platkow hatten Informationsstände aufgeschlagen. Fachvorträge und Präsentationen zählten ebenso zum Rahmenprogramm wie ein Regional- und Künstlermarkt und eine Schlemmermeile. Im Schöpfwerksgebäude zeigte das »Oderbruch Museum Altranft« eine Fotoschau von Ulrich Seifert-Stühr zum Gewässersystem im Oderbruch, im Pumpenhaus liefen Filmdokumentionen. Zwischen Festzelt und Bühne gab es Musik für die rund 500 Besucher.

Das fast 900-jährige Gusow, ein Ortsteil der Gemeinde Gusow-Platkow (Märkisch-Oderland), zählt zu den ältesten Dörfern im Oderbruch. Ein geeigneter Ort also, um das 300. Jubiläum des auf königliches Geheiß verfassten Erlasses der »Teich- und Uferordnung für die Lebusische Niederung an der Oder« und damit der Gründung des ersten Deichverbandes im Oderbruch zu begehen. Gedacht wurde auch des 20. Jahrestages der Jahrhundertflut von 1997, als das Land nur knapp einer schweren Katastrophe entging. Das war vor 70 Jahren anders: Ende März 1947 brachen bei Reitwein die Oderdeiche. Die Fluten überschwemmten 56 Orte im Oderbruch, 23 Menschen starben und 20 000 Bewohner verloren ihr Heim.

Aus diesem Grunde hatte sich auch Bundes- und Landesprominenz angesagt. Maria Flachsbarth, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium etwa, Brandenburgs Umwelt-Staatssekretärin Carolin Schilde, Bundestagmitglied Hans-Georg von der Marwitz (CDU) und Landrat Gernot Schmidt (SPD). Eröffnet wurde der Tag der Offenen Tür durch Deichverbandsvorsteher Jörg Schromm.

Wie sehr die Landesregierung die Arbeit des Deichverbandes schätzt und auf seinen Erfahrungsschatz setzt, machte Staatssekretärin Schilde deutlich. »Der Gewässer- und Deichverband ist für das Land einer der wichtigsten Partner, wenn es um den Erhalt der Kulturlandschaft Oderbruch geht. Der größte Flusspolder der Bundesrepublik Deutschland ist in besonderem Maße von wasserwirtschaftlichem Können und Wirken abhängig«, erklärte Schilde. »1997, bei der bislang schwersten Naturkatastrophe, die Brandenburg seit seiner Wiedergründung traf, hat sich gerade auch der neugegründete GEDO bei der Deichverteidigung bewährt und damit einen großen Anteil daran, dass die Menschen und ihr Eigentum im nördlichen Oderbruch geschützt wurden.«

Ungeachtet aller fachlichen Expertise war und bleibt das Oderbruch auf die Unterstützung des Landes angewiesen. In einer Mitteilung erinnerte das Umweltministerium daran, in welch gewaltigem Umfang öffentliche Mittel in den Hochwasserschutz investiert werden. »Im Rahmen des nach 1997 vom Land Brandenburg initiierten Oderprogramms wurden bislang insgesamt 287 Millionen Euro für die Deichsanierung aus EU-, Bundes- und Landesmitteln investiert. Damit konnten entlang des Flusses bislang 162,87 Kilometer von 185,13 Kilometern Deiche erneuert werden«, heißt es. Erst am 19. Juni hatte Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD) in Neuzelle (Oder-Spree) die Ertüchtigung des letzten Abschnitts des Oder-Hauptdeichs flussaufwärts zwischen Ratzdorf und Eisenhüttenstadt gestartet. Mit Abschluss der Arbeiten ist der Hochwasserschutz entlang der Oder dann komplett auf dem neuesten Stand.

Das Oderbruch, ein 60 Kilometer langes und bis zu 20 Kilometer breiten Binnendelta zwischen Bad Freienwalde im Nordwesten und Lebus im Südosten, ist seit jeher eine hochwassersensible Region. Bis ins 18. Jahrhundert bot sie vor allem Fischern einen kargen Broterwerb. Der erste Deichverband wurde nach wiederholten Hochwasserschäden gegründet. Brandenburg-Preußens König Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) ließ seinen Landbaudirektor Martin Friedrich Creutz bis 1717 einen durchgehenden Deich von Lebus bis Zellin (Czellin) aufschütten. Der entwarf für dessen Aufbau und Unterhalt besagte Deichordnung.

Die umfassende Eindeichung und Trockenlegung des damals von Mooren durchzogenen Feuchtgebietes wurde unter Friedrich II. zwischen 1747 und 1762 vollzogen. In Letschin wurde »Friedrich dem Großen« dafür ein Denkmal errichtet. 32 500 Hektar Ackerland wurden durch die Trockenlegung des Oderbruchs gewonnen. Ab 1753 wurde das Gebiet planmäßig besiedelt, entstanden die ersten der typischen Straßendörfer.

Übrigens hat die Zeit der DDR dem alten Deichverband eine Zwangspause beschert: Am 31. Dezember 1952 wurde der Deichverband Oderbruch aufgelöst. Von 1953 bis 1990 übernahmen der VEB (Z) Wasserwirtschaft, die Wasserwirtschaftsdirektion, staatliche Meliorationsbetriebe und Meliorationsgenossenschaften die Aufgaben der Gewässer- und Deichunterhaltung. Der Neustart als GEDO erfolgte am 27. Juni 1991.

Heute ist der GEDO als Wasser- und Bodenverband für 131 631 Hektar Land zwischen Frankfurt (Oder) und Hohensaaten zuständig. Sein Sitz ist in Seelow, Stützpunkte gibt es in Wriezen und Großneuendorf. Nach eigenen Angaben unterhält er unter anderem Gewässer mit einer Gesamtlänge von 1411 Kilometern, 80 Kilometer Hauptoderdeich, 374 Wehre und Staue und 38 Schöpfwerke.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.