Für das Welterbe zu gewöhnlich
Sachsen-Anhalt: Naumburg hat schlechte Karten, den UNESCO-Titel doch noch zu bekommen
Nicht nur Menschen, sondern auch Landschaften wollen gern etwas Besonderes sein. Die Region um Naumburg im südlichen Sachsen-Anhalt hält sich für ein europäisches Musterbeispiel dafür, wie im Hochmittelalter Regionen von neuen Siedlern in Besitz genommen, Städte und Dörfer angelegt und prachtvolle Burgen und Dome gebaut wurden. Auf dieses Gefühl der Einzigartigkeit gründet sich eine Bewerbung um den Titel als UNESCO-Welterbe, über die in wenigen Tagen im polnischen Krakow entschieden wird - die aber aller Voraussicht nach scheitert.
Das, was in der Bewerbung als Besonderheit dargestellt werde, sei wohl eher »der Normalfall in Europa«. Dieses vernichtende Urteil steht in einem Gutachten der Denkmalorganisation ICOMOS, die die UNESCO in Sachen Welterbe berät - und mit der auch der Förderverein »Welterbe an Saale und Unstrut« seit 2015 eng kooperiert hat, sagt dessen Vorsitzender Curd Becker. Damals hatte das Welterbekomitee bei einer Sitzung in Bonn bereits einmal über den Antrag beraten und befunden, dass er überarbeitet werden müsse. »Wir haben alles befolgt, was uns geraten wurde«, sagt Becker. Dass man dennoch erneut die Nichtverleihung des Titels empfiehlt, »hat uns mehr als überrascht«, fügt der Naumburger Ex-Oberbürgermeister bitter hinzu.
Die Region will anerkannt werden als ein Gebiet, in dem sich die »Kulturbegegnung« zwischen westeuropäischen Siedlern und slawischen Bewohnern studieren lässt. Es sei ein »Musterbeispiel«, wie eine Landschaft im 11. bis 13. Jahrhundert »quasi von Null an geprägt« wurde. Zunächst wollte man das an elf Bauwerken und Orten illustrieren. Nach dem ersten Misserfolg wurde die Zahl auf drei reduziert: Naumburger Dom, Doppelkapelle Freyburg und das frühere Kloster Schulpforta. Vor den Experten von ICOMOS finden die Änderungen keine Gnade. Nicht nur vermögen sie einen herausragenden und einzigartigen Wert nicht zu erkennen - was Hauptvoraussetzung für den Titel ist. Besiedlung und kulturellen Austausch in Grenzregionen wiesen viele Gebiete in Europa »nach ähnlichem Muster auf«, heißt es im Gutachten. Auch sei keines der drei erwähnten Bauwerke ein »Meisterwerk des schöpferischen menschlichen Genius« - speziell für eine Epoche, die auf der Welterbeliste bereits breit vertreten ist. Bissig merken die Experten an, eine Bewerbung sei eine »fein abgestimmte Konstruktion«, deren Teile man nicht hastig neu kombinieren könne.
In Naumburg macht man aus der Enttäuschung keinen Hehl: »Wir haben immerhin 15 Jahre auf den Titel hingearbeitet«, sagt Becker. Verliehen wird er nun wohl an andere: Zu den 35 Bewerbungen, über die in Krakow befunden wird, gehört auch eine von der Schwäbischen Alb, wo Höhlen mit eiszeitlicher Kunst geehrt werden sollen. ICOMOS hat dort die Aufnahme empfohlen, ebenso wie für die Erweiterung des bestehenden Welterbes Bauhaus um mehrere Häuser in Dessau sowie eine frühere Gewerkschaftsschule in Bernau.
Derzeit umfasst die Liste des Welterbes 1052 Einträge, davon 41 in Deutschland. Die Naumburger hoffen, dass die 21 Mitglieder im Welterbekomitees sich über das Votum von ICOMOS hinwegsetzen: »Wir bleiben optimistisch«, sagt Becker. Ein großes Fest gibt es am Tag der Entscheidung auf jeden Fall: »Egal wie es ausgeht, wir werden feiern.«
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