Debatte braucht Neutralität
Johanna Treblin über die Instrumentalisierung des Kopftuchs
Das Bundesverfassungsgericht hat 2015 ein generelles Kopftuchverbot an Schulen untersagt. Für ein Verbot müsste der Schulfrieden konkret gefährdet sein. In Berlin widerspricht das Tragen eines religiösen Symbols allerdings dem Neutralitätsgesetz. Den Widerspruch versucht der Senat nun bereits zum zweiten Mal zu lösen, indem er die entsprechende Bewerberin nicht einstellt und ihr lediglich eine Entschädigung zahlt.
Das ist allerdings nur eine Lösung für den Einzelfall und zudem eine schlechte. Die berufliche Karriere als Lehrerin in Berlin ist damit dahin. Und: Solange der Senat den Widerspruch nicht auflöst, wird es weitere Klagen geben. Der Regierende Bürgermeister und Wissenschaftssenator Michael Müller (SPD) will die Praxis dennoch beibehalten.
Auf Dauer wird er das aber nicht durchhalten können. Die Koalition ist in der Frage gespalten. Nicht zuletzt Antidiskriminierungssenator Dirk Behrendt (Grüne) forderte bereits im Februar, das Gesetz zu überarbeiten.
Zu Recht: Das Kopftuch steht in der öffentlichen Debatte wie kein anderes religiöses Kleidungsstück als Symbol für den Islam und die Unterdrückung der Frau. Die Debatte ist jedoch meist ideologisch aufgeladen und wird von allen Seiten politisch instrumentalisiert. Ihr täte ein wenig Neutralität gut. Das beste Zeichen dafür wäre, das Neutralitätsgesetz endlich verfassungsgerecht auszulegen - wie es auch ein Gericht im Februar gefordert hatte.
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