Ohne neues Angebot kein Gespräch
Konflikt zwischen studentischen Beschäftigten und Arbeitgebern setzt sich fort
Es kommt keine Ruhe in den Tarifkonflikt zwischen den Berliner Hochschulen und studentischen Beschäftigten. Zuletzt hatten die Studierenden gleich zwei prestigeträchtige Veranstaltungen gestört, um ihre Forderungen vorzubringen: Den 250. Geburtstag Wilhelm von Humboldts an der Humboldt-Universität am Donnerstag und die zentrale Eröffnungsveranstaltung der Langen Nacht der Wissenschaften an der Freien Universität am Wochenende. Die Aktionen hatten sie angekündigt: »Wohl oder übel ist die Zeit unserer freundlichen Aktionen vorbei,« hieß es auf der Homepage tvstud.berlin.
Rund 8000 Studierende sind an den Berliner Hochschulen beschäftigt. »Ohne uns würde der Betrieb der Bibliotheken genauso zusammenbrechen wie die Lehre und die Forschung«, sagte Philipp Tolios von der gemeinsamen Tarifkommission der Gewerkschaften ver.di und GEW in einem Statement. Ihnen steht als Vertretung der Hochschulen der Verband kommunaler Arbeitgeber (KAV) gegenüber. Am vergangenen Dienstag hatte der KAV ein Lohnplus von 1,15 Euro in Aussicht gestellt. »Ein Stundenlohn von 12,13 Euro kann sich durchaus sehen lassen«, erklärte Claudia Pfeiffer, Verhandlungsführerin und KAV-Geschäftsführerin.
In den Augen der Studierenden war das Angebot ein Affront. Bisher waren ihnen 44 Cent mehr und eine Koppelung an zukünftige Lohnentwicklungen im öffentlichen Dienst angeboten worden. Diese Koppelung entfällt im neuen Angebot. Und hier steckt für sie das Problem: Ohne den künftigen Lohnzuwachs ist das neue Angebot insgesamt bereits ab 2020 niedriger als das alte.
Die Verhandlungen stocken. Ob es sich um einen Rückschritt handelt, ist indes umstritten. Christian Keil ist selbst Student und nimmt in der Tarifkommission von ver.di und GEW an den Verhandlungen teil: »Zum einen glauben die Arbeitgeber nach ihrer bizarren Logik selbst, dass es ein besseres Angebot ist«, sagt er. »Andererseits wollen sie es aussitzen, bis wir zu ihren Bedingungen unterschreiben.« Silke Leicht-Gilles, Sprecherin des KAV, sieht das anders: »Jedes neue Angebot ist von uns ein Schritt auf die Gegenseite zu. Die Arbeitgeber müssen die Angebote auch refinanzieren können.« Der KAV spricht von »nicht in die Landschaft passenden« Forderungen der Studierenden.
Eine davon ist ein Stundenlohn von 14 Euro. Das klingt viel. Die Studierenden begründen ihre Forderung aber mit einem Reallohnverlust von über 20 Prozent seit 2001.
Die Bedingungen für ambitionierte Forderungen sind nicht schlecht. Rot-Rot-Grün hatte sich im März dieses Jahres bei der Aushandlung der Hochschulverträge auf eine bessere Finanzierung sowie bessere Beschäftigungsbedingungen geeinigt. Entsprechend gibt es auch seitens der Politik eine zumindest verhaltene Unterstützung. So sagt Anja Schillhaneck, wissenschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion: »Es ist bedauerlich, aber ich habe Verständnis dafür, dass die Studierenden das Angebot der Hochschulen nicht angenommen haben. Das würde wieder ein Einfrieren der Lohnhöhe über Jahre hinweg festschreiben.«
Hinzu kommt, dass die Studierenden mit über 1000 neuen Mitgliedern selbstbewusst in die Verhandlungen gehen. Wie hoch die Zahl der Organisierten genau ist, wird aus taktischen Gründen nicht preisgegeben. Klar ist jedoch: Der Zugewinn ist ungewöhnlich hoch.
Das Selbstbewusstsein zeigte sich auch bei der Humboldt’schen Jubiläumsfeier am vergangenen Donnerstag. »Wir sind erst gegangen, nachdem die HU-Präsidentin ein neues Angebot zugesagt hat«, sagt Keil. Darauf werde man die Hochschulen auch verpflichten. Ohne ein besseres Angebot gebe es keine neuen Verhandlungen, das teilte die GEW am Montag mit: »Ansonsten werden wir weiter mobilisieren und den Betrieb der Hochschulen stören.«
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