Kitagebühr ist den Eltern zu hoch

Elternsprecher Danilo Fischbach widerspricht dem Städte- und Gemeindebund

  • Wilfried Neiße und Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Bildung sollte kostenlos sein, von der Kita bis hin zum Hochschulabschluss. Zu diesem prinzipiellen Bekenntnis hat sich die brandenburgische SPD mittlerweile schon durchgerungen. Sie bezeichnet die Abschaffung der Elternbeiträge für die Kitas inzwischen als ein mittel- bis langfristiges Ziel. Weil aber gleichzeitig die Qualität der Kitabetreuung verbessert werden soll und dies alles viel Geld kostet, ist zunächst nur an einen Einstieg in eine schrittweise Entlastung der Eltern gedacht.

Die LINKE hatte sich schon länger dafür stark gemacht. Doch nun sprach sich der brandenburgische Städte- und Gemeindebund gegen eine Abschaffung der Elternbeiträge aus. »Die von SPD und LINKE diskutierte Beitragsfreiheit würde nicht den Geringverdienern helfen, sondern vor allem den Besserverdienenden«, sagte Geschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher der Nachrichtenagentur dpa. Denn bei Sozialhilfeempfängern zahlten schon jetzt die Kommunen die Elterneiträge. Im Übrigen seien die Beiträge nach Einkommen und Zahl der Kinder sozialverträglich gestaffelt. Das Geld werde vielmehr zum Ausbau der Kitas und Schulen gebraucht, betonte Böttcher. »Angesichts der glücklicherweise ansteigenden Geburtenrate müssen wir neue Plätze schaffen - nicht nur im Speckgürtel um Berlin, sondern im ganzen Land.« Schon jetzt fehlten rein rechnerisch rund hundert Klassenräume im ganzen Land. »Die Beschlüsse des Landtages zur Verbesserung des Personalschlüssels in den Kitas begrüßen wir ausdrücklich«, versicherte Böttcher. Allerdings fehle es an Bewerbern.

Gelebte Realität in Brandenburg ist allerdings, dass die rot-rote Koalition den Personalschlüssel mehrfach verbesserte, die Eltern aber an vielen Stellen im Land nichts davon bemerken und berichten, die Gruppen seien weiterhin sehr groß. So kommt unweigerlich der Verdacht auf, das vielleicht geschummelt werde. Die Landtagsabgeordnete Gerrit Große (LINKE) erkundigte sich bei Bildungsminister Günter Baaske (SPD), wie eigentlich sichergestellt werde, dass die gesetzlich vorgeschriebene Zahl an Erzieherinnen oder Erziehern auch wirklich in der Kita vorhanden sei. Große verwies darauf, dass Stichproben in Hamburg und Nordrhein-Westfalen ergaben, dass die Hälfte der Kitas nicht die Mindestvorgaben zum Personalschlüssel erfüllen. »Dabei wurden durch die Länder teilweise Gelder an die Kitas gezahlt, obwohl das entsprechende Personal nicht vorhanden war«, erklärte Große. Minister Baaske sagte am Donnerstag, in Brandenburg seien die Kitaträger für die Bereitstellung von genügend Personal verantwortlich und nicht die Regierung. Er stellte aber auch klar, dass durch finanzielle Zuschüsse »das nachgewiesene Personal« finanziell unterstützt werde. »Ich glaube, dass dies zuverlässig funktioniert«, sagte Baaske.

Doch zurück zu den Kitagebühren: Der Städte- und Gemeindebund erinnerte, dass die Eltern im Schnitt nur 16 Prozent der Betreuungskosten übernehmen müssen. Beitragsfreiheit habe auch für die meisten Eltern keine Priorität, behauptete Geschäftsführer Böttcher. »Die meisten Eltern sprechen sich stattdessen für mehr Qualität in den Einrichtungen aus, wie eine Studie der Bertelsmannstiftung belegt.«

Dieser Darstellung widerspricht Bundeselternsprecher Danilo Fischbach, der sich insbesondere in Brandenburg gegen Elternbeiträge engagiert. Die Beschlusslage der Bundeselternvertretung sei eindeutig. Man wünsche sich gebührenfreie Bildung und eine höhere Qualität. »Wir wollen beides, im Gleichschritt«, erklärte Fischbach dem »nd«. Fischbach kennt die bewusste Bertelsmannstudie. »In der selben Studie sagen die Eltern, dass die Gebühren zu hoch sind. Das sollte sich der Städte- und Gemeindebund zu Herzen nehmen.« Auch sei für die Studie suggestiv gefragt worden, ob die Eltern bereit wären, für mehr Qualität mehr zu bezahlen. Bei einer solchen Fragestellung hätte Fischbach erwartet, dass 80 Prozent der Befragten mit Ja antworten. Denn niemand wolle doch als geizig gelten, wenn es um das Wohl des eigenen Kindes gehe. Tatsächlich hätten aber nur 48 Prozent Ja gesagt. Und dass sie zugunsten von mehr Qualität auf die Beitragsfreiheit verzichten würden, hätten nur 51 Prozent bestätigt.

Mit einem Kitapaket hatten SPD und LINKE bereits im September 2016 den Einstieg in eine Entlastung der Eltern und eine bessere Förderung der frühkindlichen Bildung beschlossen. Dafür ist vom 1. August 2018 an eine erste Tranche von 4,5 Millionen Euro im Haushalt vorgesehen. Für 2019 und 2020 sind jeweils 15 Millionen Euro eingeplant. Über die Form der Beitragsentlastung wird noch debattiert. mit dpa

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