Gesetz gegen Hass?

Netzwoche über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 2 Min.

Die schwarz-rote Bundesregierung hat sich kurz vor Ende der Legislaturperiode auf eine neue Fassung für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz geeinigt. Mit diesem Gesetz soll Hetze in den sozialen Netzwerken geahndet werden. Zum einen sollen die Betreiber von kommerziellen Plattformen wie Facebook oder Twitter verpflichtet werden, Hassmails innerhalb von 24 Stunden nach Eingang einer Nutzerbeschwerde zu löschen, zum anderen können die Opfer solcher Hassmails von den Betreibern die Herausgabe von Stammdaten verlangen, aus denen die Identität des Täters hervorgeht; journalistische Online-Angebote sind von dieser Regelung aber ausdrücklich ausgenommen.

Nachdem es in den vergangenen Wochen sowohl von den betroffenen Plattformen wie auch von Medienrechtlern Kritik an dem Gesetzentwurf gab, hat die Große Koalition diesen nun in Teilen geändert. Unter anderem soll nach dem Vorbild des Jugendmedienschutzes eine Institution geschaffen werden, die anstelle der Plattformbetreiber über die Löschung von inkriminierten Einträgen entscheidet. Dies sei ein wichtiger Beitrag zum Schutz vor »Overblocking«, sagte Eva Högl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD vor Wochenfrist.

Auf netzpolitik.org widerspricht ihr Markus Reuter. Auch nach der geänderten Fassung könne es zum »Overblocking« kommen, also dazu, dass »Plattformbetreiber aus Furcht vor einem Bußgeld lieber zu viel als zu wenig löschen«. Positive Veränderung gebe es »bei der Definition, was eigentlich ein soziales Netzwerk ist. Hier sollen nun Dienste für ›Individualkommunikation‹ und ›spezifische‹ Kommunikation ausgeschlossen werden«. Diese haben in der Regel weniger Nutzer und eingeschränkte Möglichkeiten, die Kommunikation zu überwachen. Da jedoch Karteileichen, Bots und Nutzer mit mehreren Accounts im Gesetz mitgezählt würden. fielen viele dieser Spezial-Dienste dann doch wieder unter die Regelung, kritisiert der netzpolitik-Redakteur. Trotz der Nachbesserungen bleibe das Gesetz eine »Gefahr für die Meinungsfreiheit«.

Das Gesetz »verteidigt die Meinungsfreiheit, weil es die Meinung der anderen, also der Opfer von Hasskriminalität, zu schützen versucht«, schreibt dagegen Christian Humborg, auf carta.info. Humborg arbeitet für Wikimedia Deutschland, einen Verein, der sich für den freien Zugang zu Wissen und Bildung im Internet einsetzt. Dass es durch das Gesetz zum »Overblocking« kommen wird, glaubt Humborg nicht. Das Gesetz beziehe sich nur auf schwerwiegende strafrechtliche Sachverhalte wie Volksverhetzung, Gewaltdarstellung, Anleitung zur Begehung einer schweren Straftat. »Es geht nicht um Fake News, es geht nicht um eine einfache Beleidigung, es geht nicht um Falschbehauptungen, es geht nicht um Urheberrechtsverletzungen (…) Daher kann ich die Angst, dass Facebook zukünftig ganz rigide zu Ungunsten der Meinungsfreiheit entscheiden wird, zwar nachvollziehen, aber die Schlussfolgerung teile ich nicht. Wieso soll für mehr Meinungsfreiheit bei Facebook als bei spiegel.de oder focus.de gekämpft werden?«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Mehr aus: Aus dem Netz gefischt