Locker im Sattel
Personalie
Ob er angesichts der feuchtfröhlichen Party den Gedanken an einen Rücktritt gehabt habe, wollte die Moderatorin der RBB-Abendschau von Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt wissen. Die Reaktion des Polizeiführers: heftiges Auflachen. Das sei doch »sehr hochgegriffen«, sagte Kandt. Tatsächlich dürften die feierwütigen Einsatzhundertschaften, die wohl in Hamburg über die Stränge schlugen, für den gebürtigen Schwaben und ehemaligen Elitepolizisten, der in der GSG 9 und den Spezialeinsatzkräften diente, derzeit eines der geringeren Probleme sein - trotz des immensen Imageschadens, den die Eskapaden der jungen Bereitschaftspolizisten sicher verursacht haben.
Derzeit locker im Sattel sitzt der Polizeipräsident aber vor allem wegen anderer Vorkommnisse: Zunächst war am Mittwoch unklar, wie der Großeinsatz zur Räumung des linken Ladens »Friedelstraße 54« in Berlin-Neukölln am Ende ausgehen wird. Besonders gefährlich könnten der Karriere des 57-Jährigen aber zwei ebenfalls noch offene Verfahren werden, die auch in seinen Verantwortungsbereich fallen: Zum einen wird für die kommenden Tage mit Spannung ein Zwischenbericht des Sonderermittlers Bruno Jost erwartet, der das Polizeiverhalten im Fall des islamistischen Attentäters Anis Amri untersucht. Dazu wird sich in Kürze zudem ein Untersuchungsausschuss im Abgeordnetenhaus konstituieren, der auch mögliche strukturelle Defizite beim Landeskriminalamt untersuchen soll. Für Klaus Kandt als obersten Behördenleiter, der anders als sein Parteifreund und Protegé, CDU-Innensenator Frank Henkel, nach der Wahl weiter im Amt blieb, könnten mögliche Vertuschungsversuche im Fall Amri sehr gefährlich werden.
Eine zumindest unglückliche Figur in der Öffentlichkeit machte Kandt darüber hinaus in der Debatte um möglicherweise schadstoffbelastete Schießstände in der Hauptstadt, durch die Polizisten geschädigt worden sein könnten. Die Vorwürfe sowohl im Fall Amri als auch bei den Schießständen sind längst nicht ausgeräumt. Kandt bleibt unter Beobachtung.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.