79 Prozent für mehr soziale Gerechtigkeit
Anteil unter Älteren laut YouGov-Umfrage noch höher / Aber sehr geteilte Meinungen darüber, was sozial gerecht ist
Berlin. Vier von fünf Bundesbürgern wollen mehr soziale Gerechtigkeit, dieses starke politische Bedürfnis belegt nun erneut eine Umfrage. Die Zahlen zeigen aber auch: Es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, was soziale gerecht wäre. Für die politische Debatte und Schritte zu mehr Gerechtigkeit ist das von großer Bedeutung.
Wie die Meinungsforscher von YouGov mitteilen, haben in einer Umfrage 79 Prozent der Befragten der Aussage zugestimmt, »dass in Deutschland mehr soziale Gerechtigkeit notwendig ist«. Nur 14 Prozent antworteten mit Nein, 7 Prozent machten keine Angaben oder wollten sich nicht entscheiden. Mit 85 Prozent lag die Zustimmung in der Altersgruppe über 55 am höchsten, unter den 25- bis 35-Jährigen sagten mit 66 Prozent die wenigsten, dass mehr soziale Gerechtigkeit notwendig ist. Unter den SPD-Wählern »wünschen sich neun von zehn Befragten mehr soziale Gerechtigkeit«, so YouGov.
Einerseits zeigt dies, welche Bedeutung die soziale Gerechtigkeit als Wahlkampfthema haben könnte. Doch was die Bundesbürger »für sozial gerecht halten, darüber existiert kein einheitliches Bild in der Bevölkerung«, so die Meinungsforscher. Auf ihr Verständnis von sozialer Gerechtigkeit angesprochen, antworteten 22 Prozent, es gehe darum, »dass jeder Bürger das bekommt, was seiner Leistung entspricht. Wer mehr leistet, sollte mehr verdienen.«
Eine solche Sichtweise entspricht der Idee der Leistungsgerechtigkeit, bei der allerdings oft die Bedingungen dafür vernebelt bleiben, die nötig sind, um überhaupt in die Lage zu kommen, »etwas zu leisten« - etwa ein Arbeitsplatz und offene Aufstiegschancen. Auf diese stellt das Prinzip der Chancengerechtigkeit ab. In der Umfrage sagten ebenfalls 22 Prozent, gerecht sei für sie, wenn »für alle Bürger gleiche Startbedingungen und Chancen geschaffen werden«.
15 Prozent beschrieben ihr Verständnis von Gerechtigkeit damit, »dass insbesondere den Schwächsten geholfen wird«. 21 Prozent sagte, es sei gerecht, wenn »jeder Bürger bekommt, was er benötigt: Es sollte für jeden gesorgt sein«. Und 12 Prozent antworteten auf die Frage, was für sie sozial gerecht ist, dies sei gegeben, wenn »für alle Bürger gleiche Lebensbedingungen geschaffen werden«.
Holger Geißler von YouGov geht sogar so weit, das Schlagwort soziale Gerechtigkeit als »eine Worthülse« zu bezeichnen, »die aus Sicht der Bevölkerung ganz unterschiedlich interpretiert wird. Für die politische Diskussion müsste zunächst mal definiert werden, was damit genau gemeint ist«. tos
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.