Metropole im Wandel
In unserer Sommerserie beleuchten wir montags die Digitalisierung der Hauptstadt
Es vergeht keine Woche in Berlin ohne ein wichtiges Ereignis zum digitalen Wandel. »Digitalisierung - Motor für Berlins Wirtschaft« hieß etwa eine Konferenz der SPD in der vergangenen Woche. »Die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft bietet große Chancen für Berlin«, titelt auch der Koalitionsvertrag des rot-rot-grünen Senats. Aber was bedeutet Digitalisierung eigentlich konkret? Und welche Folgen hat es für die Menschen?
Der Begriff Digitalisierung hat viele Bedeutungen. Er kann einen Prozess beschreiben, bei dem mittels technischer Systeme analoge Vorgänge in digitale überführt und reproduziert werden. Ein Beispiel: Der Gang in die Buchhandlung wird ersetzt durch den Einkauf eines Buches im Internet bei einem der gängigen Onlineversandhändler. Viele Start-ups beschäftigen sich mit diesen Geschäftsmodellen. Ein Buch bleibt hier aber immer noch ein Buch. Oder aber das Buch wird gleich als E-Book bestellt und kann ohne Zeitverzögerung auf die elektronischen Lesegeräte geladen werden.
Wenn an den Hochschulen beispielsweise vermehrt Videokameras zum Einsatz kommen, deren Bilder über digitale Plattformen an die Studierenden gesendet werden, ist das lediglich ein digitales Abbild der analogen Lernumgebung des Hörsaals.
Digitalisierung kann aber auch die Schaffung gänzlich neuer digitaler Umgebungen oder digitaler Prozesse beschreiben, die nicht die analoge Welt abbilden, sondern eigenständige digitale Modelle darstellen. Ein Beispiel dafür wäre, wenn etwa auf Basis eines digitalen Rollenspiels eine neue Lernumgebung geschaffen wird, die den Nutzern durch interaktive Elemente neue Möglichkeiten des Lernens eröffnet.
In Anlehnung an das Englische kann man also unterscheiden zwischen »Digitalisieren« als die Überführung analoger in digitale Daten (englisch: digitize) und »Digitalisierung« als die Schaffung einer neuen digitalen Umgebung (englisch: digitalisation).
Auch in Berlin wirken diese Prozesse. Smartphones und Tablet-Computer symbolisieren diesen Wandel. Ein Beispiel für die extremen Veränderungen sind aber auch die zahlreichen Ferienwohnungsportale im Internet, die einen regelrechten Vermietungsboom in der Hauptstadt ausgelöst haben - mit dem Nachteil, dass ohnehin knapp vorhandener bezahlbarer Wohnraum noch weniger zur Verfügung steht.
Auch wenn viele Menschen Schlagwörter wie »Smart City« nicht mehr hören können, erfasst die Digitalisierung doch nahezu alle gesellschaftlichen Bereiche. Selbst, wenn viele dieser Prozesse etwa bei kleinen und mittelständischen Unternehmen eher schleichend vonstatten gehen.
In der öffentlichen Verwaltung sowie bei der Transparenz von Daten hat Berlin einen digitalen Nachholbedarf, dem der rot-rot-grüne Senat Rechnung tragen will. Hierzu wollen wir den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) befragen.
In unserer Sommerserie wollen wir den Wandel auch anhand einiger Beispiele nachzeichnen: Wie verändern sich Produktionsprozesse und Geschäftsmodelle durch den Einsatz von 3-D-Druckern? Solche sind in Berlin bereits an vielen Stellen im Einsatz, etwa bei einem Optiker in Kreuzberg, der dadurch in der Lage ist, maßgeschneiderte Gestelle zu produzieren. Solche Formen ermöglichen eine neue urbane Produktion, die aufgrund der Umweltverträglichkeit und Kleinteiligkeit auch wieder in den Innenstädten möglich ist.
Einen großen Einfluss hat die Digitalisierung auch auf den Verkehr und die Mobilität: Sogenannte Sharingsysteme, also übers Internet gesteuerte Ausleihmöglichkeiten, gibt es inzwischen für Autos, Roller und Mitfahrgelegenheiten. Berlin ist auch Experimentierfeld für selbstfahrende Autos, die zurzeit auf der Straße des 17. Juni getestet werden. Damit sollen auch Unfälle minimiert werden.
Dass es auch Schattenseiten des digitalen Wandels gibt, steht außer Frage. Abgesehen von Datenschutz und Datensicherheit bedeutet Digitalisierung auch die Möglichkeit einer stärkeren Überwachung. Inwiefern sich die Digitalisierung auf die Arbeitskontrolle und die Arbeitsbedingungen auswirkt, soll in der Serie anhand einer Reportage zu Start-ups und bei digitalen Plattformen gezeigt werden werden. In einem Beitrag sollen überdies bürgerrechtliche Gegenbewegungen und Kritiker der Digitalisierung zu Wort kommen.
Am kommenden Montag lesen Sie das Interview mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD)
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