»Ich werde mich nicht unterwerfen«

Venezuelas Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz verweigert Vorladung vor Oberstes Gericht

  • Jürgen Vogt
  • Lesedauer: 3 Min.

»Ich werde mich diesem illegitimen Gericht nicht unterwerfen.« Mit diesen Worten begründete Venezuelas Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Díaz ihr Fernbleiben beim Obersten Gericht. Die Obersten Richter hatten Ortega Díaz am Dienstag zu einer Anhörung vorgeladen. Danach sollte entschieden werden, ob gegen die 59-Jährige ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wird.

Doch auch ohne die Anhörung der Generalstaatsanwältin werde das Oberste Gericht in fünf Tagen die Entscheidung verkünden, teilte Gerichtspräsident Maikel Moreno mit. Dass die Obersten Richter danach Katherine Harrington zur neuen Vize-Generalstaatsanwältin ernennen wollen, bewertet Ortega Díaz als »Zirkus«. Bereits tags zuvor war der von ihr vorgeschlagene Rafael González Arias von der Nationalversammlung als neuer Vize-Generalstaatsanwalt bestätigt worden. Ein Vorgang, den wiederum die Obersten Richter nicht anerkennen.

Seit Monaten steht Luisa Ortega Díaz im Rampenlicht. Am Montag hatte sie sich mit einem YouTube-Statement an die Öffentlichkeit gewandt. Sie warnte, dass die Menschenrechte und Institutionen in Gefahr seien und versicherte, dass sie und ihre Behörde standhaft auf die Einhaltung der Verfassung pochen werden. Am Dienstag legte sie nach. »Wir wissen schon, dass mit dem heutigen Tag eine Kampagne mit dem Ziel eingeleitet wurde, mich abzusetzen«, sagte sie.

Seit 2002 arbeitet die auf Straf- und Prozessrecht spezialisierte Anwältin im Ministerio Público, einer autonomen Behörde, die eine Schlüsselfunktion im venezolanischen Strafrechtssystem hat. Das Ministerio Público hat das Monopol auf die Strafrechtsverfolgung, entscheidet, wer angeklagt wird, und leitet die entsprechenden Untersuchungen ein. Ortega Díaz zweite siebenjährige Amtsperiode endet offiziell erst 2021. Bei der Beisetzung von Hugo Chávez 2013 hatte die Generalstaatsanwältin noch in der ersten Reihe der Trauernden gestanden.

Doch seit sie sich mit dem Obersten Gericht anlegt, fliegen ihr viele Sympathien kritischer Chavisten und der Opposition zu. Ende März hatte sie die Entscheidung der Obersten Richter zur Entmachtung der Nationalversammlung als verfassungswidrig kritisiert und erfolgreich deren Rücknahme gefordert. Im Mai leitete sie Ermittlungsverfahren gegen mehrere Richter des Obersten Gerichts ein und Anfang Juni sprach sie sich gegen die Entscheidung der Obersten Richter aus, mit der diese, die vom Präsidenten vorgeschlagene Verfassungsgebende Versammlung für verfassungskonform erklärten.

Seit Ende März die Straßenproteste wieder aufgeflammt sind, prangert sie die Militarisierung der Kontrollen der Demonstrationen sowie die willkürlichen Polizeiaktionen an. Staatsanwälte des Ministeriums weigerten sich, gegen festgenommene Demonstrationsteilnehmer zu ermitteln. Wie heftig der Druck auf das Ministerium wurde, zeigte sich Ende Mai, als Luisa Ortega Díaz bei der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte um Schutzmaßnahmen für ihre Mitarbeiter nachsuchte.

Unterdessen gehen die Proteste der Opposition unvermindert weiter. Am Dienstag kam ein 25-Jähriger während einer Straßenblockade in Táriba ums Leben. Die Zahl der Todesopfer stieg damit auf 91. Mehrere Zeitungen berichteten am Mittwoch überdies von einer YouTube-Botschaft des mutmaßlichen Piloten des mysteriösen Angriffs auf mehrere Gebäude in Caracas Ende Juni. Demnach soll Óscar Pérez neue Aktionen angekündigt haben. »Wir sind erneut hier in Caracas und bereit, unseren erbitterten Kampf für die Befreiung unseres Vaterlandes fortzusetzen.«

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -