Spanien droht mit Militär
Katalonien will sofortige Unabhängigkeit bei einem Ja im Referendum am 1. Oktober
Die spanische Regierung fackelte nicht lange und sprach massive Drohungen in Richtung Katalonien aus. Ministerpräsident Mariano Rajoy sprach am Mittwoch angesichts eines neuen Aufsehen erregenden Unabhängigkeitsvorstoßes der Region Katalonien von einem »Putsch«. Er wies den Vorstoß zurück und sprach von »autoritären Wahnvorstellungen«, die »die Gelassenheit und das Gleichgewicht unseres demokratischen Staates niemals bezwingen können«.
Verteidigungsministerin María Dolores de Cospedal brachte gar anlässlich einer Rede zum 40. Jahrestags des Verteidigungsministeriums das Militär ins Spiel. Das sei dazu da, »die Souveränität und Unabhängigkeit Spaniens zu garantieren und die territoriale Integrität zu verteidigen«. Auf »dem Boden, zur See und in der Luft werden die Werte der Demokratie und der Verfassung geschützt«.
Anlass der spanischen Warnungen war die Vorstellung eines Gesetzentwurfes der katalanischen Regionalregierung für das für den 1. Oktober geplante Unabhängigkeitsreferendum am Dienstag gewesen. Der Entwurf sieht im Falle eines Abstimmungssieges der Separatisten eine Unabhängigkeitserklärung, die Ausrufung der katalanischen Regierung sowie die Einleitung eines verfassunggebenden Prozesses »innerhalb von zwei Tagen« vor. Es soll ein »außerordentlicher juristischer Rahmen« geschaffen werden, der Katalonien einen Sonderstatus geben und die Gültigkeit der Bundesgesetze für die Region im Nordosten Spaniens aushebeln soll. Die katalanische Bevölkerung soll zum »Souverän« erklärt werden. Für die Abstimmung selbst soll ein unabhängiger Wahlrat geschaffen werden, internationale Beobachter sollen den Ablauf überwachen.
Wenn die Mehrheit der Bürger aber gegen die Unabhängigkeit stimmen sollte, müssten Neuwahlen in der Region abgehalten werden, gab die Abgeordnete Gabriela Serra bekannt. Sie ist Parlamentarierin der linksradikalen CUP. Die ist zwar nicht teil der regierenden Einheitsliste für die Unabhängigkeit Junts pel Si (JxSi; dt.: Gemeinsam für ein Ja) - doch die Antikapitalisten sind Motor des Prozesses. Der bekannte Liedermacher und JxSi-Parlamentarier, Lluis Llach, bedankte sich am Dienstagabend ausdrücklich bei der kleinen Partei: »Ohne die CUP wäre es unmöglich gewesen, diesen Weg zu gehen«, erklärte das Aushängeschild der Koalition, in der Linksnationalisten, Sozialisten und Christdemokraten vereint sind.
Dass Rajoy, Chef der konservativen Volkspartei, »von autoritären Wahnvorstellungen« spricht, ist erstaunlich. Seine Partei hat sich bis heute nicht vom Putsch 1936 und von der Franco-Diktatur distanziert und ist für ihren autoritären Stil bekannt. So hatte sie 2014 sogar eine unverbindliche Volksbefragung verboten und kriminalisiert seither jene, die sie trotzdem durchgeführt haben.
Die Befürworter der katalanischen Unabhängigkeit heben aus diesem Grund nun ausdrücklich auf das Völkerrecht ab, etwa auf den »Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte«, der 1966 von den Vereinten Nationen beschlossen wurde und in dem auch das Selbstbestimmungsrecht der Völker als Menschenrecht verankert ist. Spanien hat diesen Pakt 1977 - zwei Jahre nach Francos Tod - ratifiziert.
Dazu kommt ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag zum Kosovo. Der IGH sah kein Problem darin, dass sich die ehemalige Provinz Serbiens einseitig für unabhängig erklärt hatte. Es gäbe keine internationale Rechtsnorm, die es einer Bevölkerung verbiete, sich auch einseitig für unabhängig zu erklären. Im Kosovo geschah dies sogar ohne Referendum durch Parlamentsbeschluss; fast alle EU-Mitgliedsstaaten unterstützten das.
Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont erklärte, Katalonien werde »weltweit ein Beispiel« geben. Man werde garantieren, dass »alle« in Katalonien sich »ausdrücken und entscheiden« können - auch jene, die mit Nein stimmen wollten.
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