Erben sehen guten Zeiten entgegen
Studie: Erbschaftsvolumen höher als angenommen / LINKE und SPD wollen Besteuerung reformieren
In den kommenden 15 Jahren könnte der Wert der vererbten Vermögen rund ein Viertel höher sein als bislang gedacht. Das haben das aus öffentlichen Mitteln finanzierte Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und das gewerkschaftsnahe Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung im Rahmen einer am Mittwoch veröffentlichten Studie errechnet. Demnach werden über 70-Jährige pro Jahr rund 400 Milliarden Euro vererben - Vermögen, so die Studienautoren, die die Nachkriegsgeneration über Jahrzehnte wirtschaftlichen Wohlstandes hinweg angehäuft habe. Im Hinblick auf die Höhe von Freibeträgen und die Steuerprivilegien für Unternehmensvermögen fordern die Autoren, die Reform der Erbschaftssteuer vom Oktober 2016 zu überdenken.
In älteren Studien zum Erbschaftsvolumen war bislang nicht berücksichtigt worden, wie sich der Wert von Vermögen in Zukunft steigert. In der vorliegenden Studie ist das anders. Die Autoren gelangen so zu dem Ergebnis, dass das Erbschaftsvolumen tatsächlich 28 Prozent höher liegen muss. Mit letzter Sicherheit ist das allerdings nicht zu sagen, da das Statistische Bundesamt Erbschaften, die wegen der Freibetragsregelung nicht besteuert werden, statistisch nicht erfasst - ein Kritikpunkt der Autoren.
In ihrer Studie gehen sie von einer jährlichen Wertsteigerung der Vermögen um zwei Prozent aus, räumen aber ein, dass gerade bei Aktien, Betriebsvermögen, Sammlungen und Immobilien die Steigerung durchaus höher liegt. Vor allem wohlhabende Personen profitieren von Wertzuwächsen. Über 70-Jährige aus dem oberen Fünftel der Einkommen vererben durchschnittlich mehr als 300 000 Euro, jene aus dem unteren Einkommens-Fünftel weniger als 60 000 Euro. Gerade Geringverdiener sparen eher auf Girokonten, von denen angesichts der derzeitigen Niedrigzinspolitik keine Wertsteigerung zu erwarten ist. Bislang können auf Grund von Freibeträgen die meisten Erbschaften steuerfrei auf Erben übertragen werden, etwa von Eltern an jedes ihrer Kinder bis zu deren 21. Lebensjahr 2,4 Millionen Euro. Auch Betriebsvermögen sind weitgehend steuerfrei.
»Wer die wachsende Ungleichheit in Deutschland eindämmen will, kommt um eine gerechtere Erbschaftsteuer nicht herum«, sagt Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag. Die LINKE verspricht sich von einer Erbschaftsteuerreform jährlich rund fünf Milliarden Euro Mehreinnahmen für den Bundeshaushalt. Auch die SPD plant in ihrem Wahlprogramm eine umfassende Erbschaftsteuerreform und will »sehr große« Einkommen höher besteuern. CDU/CSU und FDP hingegen lehnen in ihren Programmen eine Verschärfung der Erbschaftsteuer ab; auch die Grünen planen trotz Kritik an der jüngsten Reform der Großen Koalition keine Nachbesserungen. Und die AfD - sie fordert, die Erbschaftsteuer vollständig abzuschaffen.
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