Auch Dobrindt fliegt auf Tegel
Bundesverkehrsminister hält eine Offenhaltung des Nostalgie-Airports für eine Option
Konzertierte Aktion in der Union. Nicht einmal eine Woche nach Veröffentlichung des Mitgliederentscheids der Berliner CDU, bei dem sich 83 Prozent der Teilnehmer für eine Offenhaltung des Flughafens Tegel auch über die Eröffnung des Hauptstadt-Airports BER hinaus aussprachen, hält dies nun auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) für denkbar.
In einem am Freitagmorgen wenige Stunden vor Beginn der Flughafen-Aufsichtsratssitzung verbreiteten Statement lässt Dobrindt wissen: »Die Kapazitäten des BER werden mittelfristig für Berlin wohl nicht ausreichend sein. Auch deshalb kann man über die Offenhaltung des Flughafens Tegel nachdenken.« Eine Hauptstadt mit zwei Flughäfen sei gut vorstellbar, so der Minister.
»Der Flughafen Tegel wird geschlossen«, bekräftigte vor wenigen Tagen erst der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Der Senat stehe zu den Zusagen, die er den Bürgern gegenüber gemacht habe, die vom Fluglärm, von Abgasen und der Gefahr eines Absturzes direkt über dem Stadtgebiet betroffen sind. »Es geht juristisch darum, dass mit Schließung von Tegel die Gesamtzahl der Lärmbetroffenen deutlich reduziert wird«, sagte der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in einem Interview der »Berliner Morgenpost«.
»Auch ein weiteres Gefälligkeitsgutachten wird das Risiko nicht aus der Welt schaffen, dass in Berlin am Ende nur noch der Flughafen Schönefeld-Alt eine Betriebsgenehmigung hat«, sagt Udo Wolf, Chef der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus.
Nach einem Bericht des »Tagesspiegels« machen neue Probleme wenig Hoffnung auf eine zügige Fertigstellung des neuen Airports BER. Nicht vor Herbst 2019, vielleicht aber auch erst 2020 könnte es laut der Zeitung so weit sein. Größtes Risiko solle die Fertigstellung der Sprinkleranlage sein, für die mehrere Kilometer Rohre ausgetauscht werden müssen. Erst im September 2017 sollen laut »Tagesspiegel« die nötigen Hydraulikberechnungen vorliegen. Auch soll der Brandschutz zwischen Flughafenbahnhof und Terminal wieder ungeklärt sein. Die mobilen Rauchschutzvorhänge in der Verteilerebene, die das Problem lösen sollten, scheinen nicht praktikabel. Stattdessen sollen Glaswände eingezogen werden, der Bauantrag sei allerdings noch nicht eingereicht.
»Alle Metropolen der Welt schließen die Innenstadtflughäfen«, sagt Tilmann Heuser, Geschäftsführer des Umweltverbandes BUND Berlin auf nd-Anfrage. Die Äußerungen Dobrindts seien Teil des Bundestagswahlkampfs, schätzt Heuser.
»Der Verkehrsminister will offenbar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: sich Berlins neuen Flughafen als lästige Konkurrenz des Münchener Airports vom Halse halten und zugleich als Politiker einen persönlichen Vorteil aus dem Weiterbetrieb Tegels beziehen«, vermutet Stefan Liebich, Sprecher der Berliner Landesgruppe der Linksfraktion im Bundestag. Dobrindt sei ein »Mann ohne Rückgrat«, schließlich sei die Schließung Tegels ein wiederholt formuliertes Ziel aller drei Flughafengesellschafter Bund, Berlin und Brandenburg gewesen. »Den Preis für einen solchen Looping würden die Menschen in der Hauptstadt bezahlen, denn der Flughafen Tegel macht Dreck, er macht krank und er ist kreuzgefährlich«, sagt Liebich.
Tatsächlich müsste in den Weiterbetrieb der 1974 eröffneten Flughafengebäude viel investiert werden. Eine Milliarde Euro würde die Grundsanierung kosten, vom Lärmschutz ganz abgesehen. Laut eines der »BZ« vorliegenden Gutachtens, das die Flughafengesellschaft in Auftrag gegeben haben soll, wäre der Betrieb dennoch profitabel.
Der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft soll sich bei seiner aktuellen Sitzung mit der Erweiterung des BER beschäftigen.
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