Himmlisches Holz
Das waldreiche Schweden setzt beim Wohnungsbau auf den traditionellen Baustoff und geht dabei auch in die Höhe
Hochhaus und Holzhaus, diese Begriffe scheinen sich zu widersprechen. Das eine ist kalt und aus hartem Beton und Stahlträgern. Das andere atmet knarrend, aber gemütlich in idyllischer Landschaft, so das Klischee. Doch inzwischen widerlegen immer mehr Architekten weltweit diese Vorstellung. Gerade im über die Hälfte mit Bäumen bedeckten Schweden hat man sich besonders frühzeitig auf die lange Holzbautradition des Landes zurückbesonnen, auf die Touristen vor allem in Form der dunkelroten Schwedenhütten stoßen.
Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden in Schwedens reicher Hauptstadt in Mammutprojekten fast alle damals als ärmlich und unmodern angesehenen Holzhäuser abgerissen und durch ästhetisch umstrittene Betonklötze ersetzt. Doch die Wohnungsbaugesellschaft Folkhem setzt nun wieder auf Holz. Und das ausschließlich. »Hier liegt die Zukunft im Bau, wirtschaftlich und ökologisch. In Schweden wird der klimaschädliche Betonbau in spätestens 15 Jahren gesetzlich eingeschränkt werden«, gibt sich Folkhem-Vertriebsleiterin Sandra Frank überzeugt.
2013 und 2014 hat Folkhem im Stockholmer Außenbezirk Sundbyberg mit 13 Stockwerken die bislang weltweit höchsten klimaverträglichen Hochhäuser der Welt errichtet, die nahezu vollständig aus Holz gezimmert wurden. Die Gerüste der beiden Häuser, die Fahrstuhlschächte, die Treppen, das Dach - alles ist aus Holz. »In anderen Ländern werden inzwischen auch höhere Holzhochhäuser errichtet, aber die nutzen oft Mischformen mit Beton«, sagt Frank.
Die leuchtende Fassade aus Holztäfelchen ist in der Mittagssonne hübsch anzusehen, und es riecht auch noch in der Umgebung der Hochhäuser in Sundbyberg nach Holz. Waldurlaubsgefühle werden wach. »Über 1500 Delegationen waren schon da«, aus der ganzen Welt, sagt Frank. Vor allem aus dem deutschsprachigen Raum und aus China, wo ständig neue Großstädte aus dem Boden gestampft werden müssen. Folkhem will in den kommenden Jahren weitere Holzhäuser in Stockholm bauen, eines unter dem Namen Cederhusen mit 13, das zweite mit 20 Stockwerken.
Die wirtschaftlichen Vorteile sind laut Frank groß. Nach dem IKEA-Prinzip werden in einer Fabrik im kostengünstigen und waldreichen Nordschweden die Einzelmodule des Hauses komplett fertiggebaut und dann mit Lastwagen nach Stockholm gefahren. Holz ist vergleichsweise leicht. Das erspart auch die Errichtung von kostspieliger und zeitaufwendiger Infrastruktur am Bauplatz. »Wir haben eine Fabrik, wo schon alle Anlagen optimiert und permanent stehen, um die Holzhochhäuser schnell zu produzieren. Das schafft auch bessere und sicherere Arbeitsbedingungen«. Am Bauort kommt es zu weniger Beeinträchtigungen. Für eines der Häuser in Sundbyberg brauchte Folkhem nur sieben Monate. »Ein solcher Bau mit herkömmlichen Baumaterialien dauert knapp zwei Jahre«, sagt Frank. Das im Hausbau bis zum Wohnungsverkauf gebundene Kapital ist schneller wieder frei. Zudem schafft die Bauweise Arbeit im strukturschwachen Nordschweden und umschifft den Baufachkräftemangel in Stockholm.
Auch die ökologischen Aspekte überzeugen. »Der für Beton benötigte Zement setzt bei seiner Produktion 5,2 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes frei. Der Flugverkehr liegt bei 2,3 Prozent. Beton ist höchst klimaschädlich. Holz reduziert CO2, wenn es wächst«, sagt Frank. In Schweden gibt es heute mehr Wald als vor 100 Jahren. Damals wurde aus wirtschaftlichen Gründen gesetzlich festgelegt, dass für jeden gefällten Baum ein neuer gesetzt werden muss. »Seit langem werden für jeden gefällten Baum sogar drei bis vier neue Bäume angepflanzt«, betont Frank. Der Rohstoff für den Hausbau wächst also reichlich nach. Kalk, Ausgangsstoff für Zement, ist dahingegen in Jahrtausenden entstanden und auch aufwendiger bei der Förderung.
Auch der Brandschutz, der in vielen Ländern als Totschlagargument für Holzhochhäuser gilt, funktioniere gut, so Frank. Das gepresste Holz enthalte kaum anfeuernde Sauerstoffporen und brenne nicht schneller als herkömmliche Baumaterialien, sagt sie. »Die Feuerwehr war bei uns und hat gesagt, dass sie lieber in einem Holz- als in einem Betonhaus löscht«, sagt Frank.
Auch der Lärmschutz sei in Holzhäusern nicht schlechter. »Das Holz dämpft Lärm anders als Beton. Die Frequenz ist eine weichere. Viele unserer Bewohner in Sundbyberg schwärmen davon, dass es dort so ruhig sei«, sagt sie.
Betonbauten seien ohnehin nicht »konventionell«. »Man muss sich daran erinnern, dass die Menschheit seit Ewigkeiten mit Holz baut und erst seit rund 80 Jahren mit Beton«, sagt Frank. »Ironischerweise besteht an den Architekturschulen dennoch heute großer Kenntnismangel beim Holzbau, weil Beton in den letzten Jahrzehnten so dominiert hat«, betont sie.
Hermann Kaufmann & Winfried Nerdinger (Herausgeber): »Bauen mit Holz: Wege in die Zukunft«. Prestel Verlag 2016, Broschiert, 224 S.
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