Tödlicher Anstieg

Neue Studie zeigt: Viele brasilianische Städte versinken in Gewalt

  • Lesedauer: 2 Min.

Nachrichten über Korruption, Politskandale und die Wirtschaftskrise bestimmen derzeit die Berichterstattung über Brasilien. Allerdings bedarf auch ein anderes Thema der Aufmerksamkeit: die zunehmende Gewalt.

Anfang Juni veröffentlichte das Statistikinstitut IPEA einen »Atlas der Gewalt«. Laut der Studie ist die Mordrate in Brasilien weiter gestiegen: von 26,1 Toten pro 100 000 Einwohner im Jahr 2005 auf alarmierende 28,9 Tote im Jahr 2015 - dem Jahr der letzten statistischen Erfassung. Insgesamt wurden 2015 fast 60 000 Menschen getötet; im Jahr 2005 waren es noch 48 000. Das bedeutet einen Anstieg von 22,7 Prozent.

Die Studie zeigt auch die regionale Verschiebung der Gewalt: Während früher vor allem Städte im Südosten betroffen waren, liegen heute die gewalttätigsten Städte im Norden und Nordosten. Im nordöstlichen Bundesstaat Rio Grande do Norte ist die Mordrate in dem erforschten Zeitraum um 232 Prozent gestiegen. Die Situation in vielen Städten komme einem »Kriegszustand« gleich, so die Verfasser.

Insbesondere junge Brasilianer werden Opfer der Gewalt. Obwohl die 15- bis 29-Jährigen nur ein Viertel der Bevölkerung ausmachen, fällt auf sie fast die Hälfte aller Morde. Die Autoren sprechen von einer »verlorenen Generation«.

Der »Atlas der Gewalt« zeigt auch die Kontinuität des Rassismus in Brasilien. Bei Afrobrasilianern ist die Wahrscheinlichkeit, eines gewaltsamen Todes zu sterben, um 23,5 Prozent höher als bei Weißen. Während die Mordrate bei weißen Brasilianern um 12,2 Prozent abgenommen hat, ist sie bei schwarzen um 18,8 Prozent gestiegen. Von 100 Toten eines Gewaltverbrechens sind 71 schwarz - obwohl schwarze Brasilianer nur knapp über die Hälfte der Bevölkerung ausmachen.

Als Gründe für die steigende Gewalt nennen Experten die weiterhin starken sozialen Ungleichheiten. Auch im Jahr 2017 hat die Mordrate in zahlreichen Städten neue Höchstwerte erreicht. Viele Bundesstaaten sind pleite und können Sicherheitskräfte nicht mehr bezahlen. Städte wie Rio de Janeiro rutschen immer mehr ins Chaos. Auch die landesweite Krise, die neoliberale Austeritätspolitik der rechten Regierung und die dadurch verursachte Verarmung von großen Teilen der Bevölkerung verschärfen die Situation. Da ein Ende der wirtschaftlichen und politischen Talfahrt nicht in Sicht ist, kann man davon ausgehen, dass Brasilien auch zukünftig neue Gewaltrekorde aufstellen wird. nif

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