Scholz bittet Hamburger um Verzeihung

Bürgerschaft debattiert über Folgen des G20-Gipfels und des Protests gegen die Großveranstaltung

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 2 Min.

Trotz der Ausschreitungen am Rande des G20-Gipfels sieht Bürgermeister Olaf Scholz seine Karriere nicht gefährdet. Bei einer Regierungserklärung vor dem Landesparlament ging der Sozialdemokrat am Mittwoch mit keinem Wort auf die Rücktrittsforderungen der Hamburger CDU ein. Scholz hatte sich vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs in der vergangenen Woche mit flapsigen Sprüchen über die Sicherheitslage hervorgetan und den Gipfel etwa mit einem Hafengeburtstag verglichen. Nun gab sich Scholz vor den Abgeordneten reumütig. »Ich bitte die Hamburgerinnen und Hamburger um Entschuldigung«, sagte er. Den Einwohnern sei »viel abverlangt« worden. Als Beispiele nannte Scholz den »Terror der Gewalttäter« ebenso wie Einschränkungen beim Verkehr. Grundsätzlich verteidigte er aber seine Entscheidung, den Gipfel in Hamburg stattfinden zu lassen. »Auf dem Land kann man nicht die logistischen Anforderungen erfüllen«, sagte Scholz. Als Alternative zu Hamburg und ähnlichen Städten sah er nur »Spitzentreffen bei Autokraten und Diktatoren«. »Welcher aufrechte Demokrat kann das wollen?«, fragte der SPD-Politiker rhetorisch.

Den 20 000 Polizisten in der Hansestadt dankte Scholz für deren »heldenhaften Einsatz«. Kritische Worte zu dem teilweise rabiaten Vorgehen der Beamten fand er nicht. Scholz attackierte vielmehr Mitglieder der Bürgerschaft, die sich aus seiner Sicht nicht deutlich von den Randalierern distanziert hätten. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel wurde konkreter. Er behauptete, dass die LINKE der »parlamentarische Arm des schwarzen Blocks« sei.

Die in Hamburg recht kleine CDU, die vor zwei Jahren nur knapp 16 Prozent der Wählerstimmen erhalten hatte, hofft nun, von der kleinen Krise der SPD profitieren zu können. Dass die Sozialdemokraten und ihre Koalitionspartner von den Grünen einen Sonderausschuss zu den »gewalttätigen Auseinandersetzungen« einrichten wollten, reicht den Konservativen nicht aus. CDU-Fraktionschef André Trepoll wiederholte in seiner Rede ständig den Satz, dass Scholz, der den Bürgern die Sicherheit beim G20-Gipfel garantiert habe, nun »die Konsequenzen ziehen« müsse. Aus Sicht der CDU bedeutet das, dass der Bürgermeister zurücktreten müsse. Dabei liegen Scholz und Trepoll inhaltlich gar nicht weit auseinander. Beide attackierten etwa verbal das Autonome Zentrum Rote Flora im Schanzenviertel. »Die Rote Flora muss weg«, forderte Trepoll.

Linksfraktionschefin Cansu Özdemir machte die »Gewalt der Randalierer fassungslos«. Sie meinte aber, dass die Zusammensetzung der Gruppen heterogen gewesen sei. Özdemir sprach von »unpolitischen und randaleorientierten Menschen« sowie von Personen, die möglicherweise dem salafistischen Spektrum zuzuordnen seien. Andere Beobachter hätten auch Neonazis gesehen. Die LINKE-Politikerin warf Scholz und dessen Polizeidirektor Hartmut Dudde vor, durch das Vorgehen gegen Demonstranten und Protestcamper auf einen »Eskalationskurs« gesetzt zu haben.

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