Rechtsradikale im Roten Meer
Sogenannte Identitäre haben ein Schiff gechartert, um sich Libyens Küstenwache anzudienen
Eines hat die Aktion bereits gebracht: Schlagzeilen wie »Schiff der identitären Bewegung auf dem Weg zu Einsatz vor libyscher Küste«. So betitelte die Agentur AFP am Mittwoch einen Bericht über jene deutschen, französischen und italienischen Rechtsradikalen, die in Dschibuti das Schiff »C-Star« gechartert haben wollen, um im Mittelmeer die Rettung von Bootsflüchtlingen durch Nichtregierungsorganisationen zu behindern.
Bereits im Mai hatten rechtsradikale Aktivisten im sizilianischen Hafen Catania ein Rettungsschiff am Auslaufen zu hindern versucht, bis die Hafenbehörde einschritt. Anschließend starteten sie eine Spendensammlung im Internet, die - obwohl nach Hinweisen vom Bezahldienst Paypal zunächst gestoppt -, mehr als 50 000 Euro in Bitcoins einspielte.
Laut der Internetseite »MarineTraffic«, die das Verfolgen von Schiffspositionen ermöglicht, bewegt sich die C-Star derzeit im Roten Meer. Zunächst soll das Schiff, das rund 30 Personen aufnehmen könne, den Suezkanal durchfahren und Sizilien anlaufen, um »Aktivisten« zusteigen zu lassen. Dann soll die »Rettung Europas« beginnen.
Wie die Anti-Retter konkret vorzugehen gedenken, bleibt indes vage. »Wir stellen uns ihren Booten in den Weg und verteidigen Europa!«, tönen sie in Richtung der Rettungsinitiativen, denen sie Kollaboration mit »Schleppern« und eine Beteiligung am »Einwanderungsgeschäft« nachsagen.
Während dies einige Anhänger wörtlich nehmen und im Internet zu Verbrechen aufrufen - »Rammen!« - klingt man an anderer Stelle zurückhaltender: Man werde »Menschen selbstverständlich retten«, wenn man »ein Notsignal« empfange. Doch wolle man dann »alles tun, damit sie an die afrikanische Küste zurückgebracht werden«. Zudem kündigen die Retter Europas an, dann Flüchtlingsboote »konsequent« zu versenken. Zur Hauptsache will man freilich »vor libysche Gewässer« fahren und der »Küstenwache unsere Hilfe« anbieten: »Wir überwachen die Aktivitäten der NGOs, hören alle Funksprüche ab und dokumentieren mögliche Zusammenarbeit mit den Schleppern. Wir alarmieren die Küstenwache, wenn sie in ihre Hoheitsgewässer geraten, und greifen ein, wenn etwas Illegales geschieht.«
Alle Schiffe sind nach dem Seerechtsübereinkommen der UN verpflichtet, Bootsflüchtlingen »Hilfe zu leisten«. Wie man diese nach Libyen bringen will, bleibt so offen wie die Frage, ob die rudimentäre Küstenwache des zerfallenden Staates über diese Form der Unterstützung sehr begeistert sein wird. Es ist nicht undenkbar, dass sich die rechten Seefahrer geradewegs in das Dilemma manövrieren, entweder das Seerecht mörderisch zu verletzen oder selbst Flüchtende nach Europa bringen zu helfen. Sie mögen das alles für ein Abenteuer halten. Das ist auf See so unverantwortlich, wie die ganze Aktion zynisch ist.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.