Arbeiterexport als Devisenquelle
Behörden in Pjöngjang kassieren einen großen Teil des Verdienstes
Sie schätzen sich glücklich, dass ihnen für gutes Geld ein Job im Ausland angeboten wird. In Nordkorea reisen sonst nur Diplomaten und Vertraute der Führung der Volksrepublik ins Ausland. In Russland sind bis zu 50 000 Rubel Monatslohn drin, umgerechnet 850 Dollar - eine Fabelsumme für nordkoreanische Verhältnisse. Doch die Hälfte des Lohns entfällt auf »Gebühren« und wird für das Regime abgezogen, und vom Rest entfällt gleich noch einmal etwa die Hälfte auf den jeweiligen Gruppenführer, der rund 20 bis 30 Männer unter sich hat.
Die Praxis der Arbeiterexporte ist nicht neu, schon unter Staatsgründer Kim Il Sung wurden Nordkoreaner in der Sowjetunion beschäftigt. Unter dessen Enkel Kim Jong Un indes, der die Dynastie fortführt, hat der Export von Arbeitern ein schon fast industrielles Ausmaß angenommen. Schätzungsweise 120 Millionen Dollar verdient das Regime jährlich allein an den rund 50 000 Arbeitskräften, die nach Russland geschickt werden, mit weiteren Zehntausenden in China und im Nahen Osten.
Trotz internationaler Sanktionen und Abschottung wächst Nordkoreas Wirtschaft seit Jahren. Doch außer Raketentechnologie, Kohle und ein paar Lebensmitteln hat das Land nichts, das gegen Devisen zu verkaufen wäre. Außer eben der Arbeitskräfte, die als besonders tüchtig und verlässlich gelten. Sie versorgen das Regime mit stabilen Deviseneinnahmen zu Zeiten politischer Unsicherheiten.
Wander- und Gastarbeiter sind ein fester Bestandteil herrschender Wirtschaftsmodelle und überall gewisser Ausbeutung ausgesetzt. Doch kaum etwas gleicht dem quasi staatlich sanktionierten Handel Nordkoreas, das über ein Meer an willigen Arbeitskräften verfügt, sich für Hungerlöhne zu verdingen.
In Russland sind sie gern gesehen und gesucht, die Nordkoreaner, die in Fabriken und auf Baustellen arbeiten und Disziplin habe: »Sie sind schnell, billig und sehr verlässlich, viel besser als russische Arbeiter«, zitiert die »New York Times« eine 32-jährige Hausfrau in Wladiwostok.
Es waren auch hauptsächlich Nordkoreaner, die das neue Fußballstadion in St. Petersburg für die Weltmeisterschaft nächstes Jahr bauten. Nordkoreaner ziehen in Moskau Luxuswohnungen hoch und arbeiten im einsamen russischen Osten in abgelegenen Holzfällercamps. Doch wo auch immer sie arbeiten: die Ausbeutungsstruktur, so ein Bericht des US-Außenministeriums, indem der größte Teil des Lohns vom Staat konfisziert werde, schaffe »sklavenähnliche Bedingungen«. Mit dem Verfall des Rubels sind Abzüge in den vergangenen Jahren noch erhöht worden. Pjöngjang will Dollars, keine Rubel.
Die meisten Arbeiter werden nach Russland entsandt, wobei sich Pjöngjang seit geraumer Zeit näher an Moskau als seinen traditionellen Verbündeten Peking anzulehnen scheint. Neuerdings verkehrt auch eine Fähre zwischen Wladiwostok und Nordkorea. Die USA lägen weit weg, heißt es in der russischen Privatfirma, die in den Fährendienst investierte. Nordkoreaner seien keine Engel, doch man lebe hier gleich nebenan, sagte ein Firmensprecher: »Wir wollen mit den Nordkoreanern normal umgehen.«
Noch verkehrt die Fähre größtenteils leer. Nordkoreanische Arbeiter nehmen vorerst noch den wöchentlichen Flug von Pjöngjang nach Wladiwostok. Trotz aller Ausbeutung bemühen sich die meisten Nordkoreaner nach Ablauf der Gültigkeit ihrer Arbeitspapiere wieder darum, nach Russland zurückzukehren.
Die Nordkoreaner würden »wahnsinnig viele Stunden« arbeiten und sich nie beschweren, zitiert die »New York Times« einen russischen Arbeitgeber. »Sie machen keine Ferien. Sie essen, arbeiten und schlafen, und nichts anderes. Und sie schlafen nicht viel. Im Grunde geht es ihnen wie Sklaven«.
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