Besetzte Potsdamer Fachhochschule geräumt
Bündnis meldet Protestcamp vor DDR-Bauwerk an / Protest bis »mindestens Sonntagabend«
Potsdam. Die Polizei hat am späten Donnerstagabend nach
knapp zehn Stunden die besetzte Fachhochschule in Potsdam geräumt.
Die FH hatte zuvor darum gebeten. Zuletzt befanden sich nach Angaben
eines Polizeisprechers 29 Menschen in dem Gebäude. Alle wurden von
der Polizei herausgeleitet, herausgetragen werden musste niemand. Die
Personalien wurden aufgenommen, danach konnten die Besetzer gehen.
Die Fachhochschule stellte Strafanzeige.
Einige der Besetzer, die sich gegen den geplanten Abriss der
Fachhochschule einsetzen, hatten das Gebäude bereits zuvor verlassen.
Vorher war es am Abend auch zu einer Rangelei zwischen Polizisten und
Besetzern gekommen. Ein Beamter wurde nach Angaben der Polizei leicht
verletzt, war aber weiter im Dienst. Auch Pfefferspray sei zum
Einsatz gekommen.
Das Gebäude wird bis Monatsende nur noch von einem Fachbereich
genutzt, außerdem ist dort eine Mensa untergebracht. Danach soll es
der Stadt übergeben werden. Für den Herbst ist der Abriss geplant.
Der Präsident der Fachhochschule, Eckehard Binas, sagte der dpa kurz
vor der Räumung, sie hätten alles getan, um die Eskalation zu
verhindern. Sie hätten die Situation sehr gründlich geprüft und die
Folgen abgewogen. Es habe aber keine Alternative gegeben, auch mit
Blick auf die rechtliche Seite. Die Räumung müsse leider vollzogen
werden.
»Wir waren im großen Umfang diskussionsbereit.« Es sei den Besetzern
aber um Rahmenbedingungen gegangen, auf die man sich nicht habe
einlassen können und die durch die Hochschule überhaupt nicht
erfüllbar seien. »Die Forderung, den Raum dauerhaft als öffentlichen
Raum zur Verfügung zu stellen, können wir gar nicht erfüllen«, so
Binas.
Der Potsdamer Bürgermeister Burkhard Exner (SPD) hatte betont, man
habe den Besetzern eine Diskussion außerhalb des Gebäudes angeboten.
Er betonte, bei der Planung für die Gestaltung der Innenstadt habe
man eine soziale Nutzung in den Vordergrund gestellt und wolle das
Filetgrundstück keinesfalls meistbietend verkaufen. Die seit Jahren
diskutierten Pläne seien von der Stadtverordnetenversammlung
demokratisch legitimiert worden. Nach dem Abriss sollen auf dem
Gelände Wohn- und Geschäftshäuser, teils mit historischen Fassaden,
gebaut werden.
Die Besetzer wiederum sagten dem »nd«, dass sie die das
Fachhochschulgebäude als eine »wichtige Ressource« sehen, zu der
»alle Menschen in Potsdam Zugang haben sollten«. Sie sprechen sich
dagegen aus, anstelle der FH historisierende Fassaden und Häuser in
Privatbesitz zu errichten.
Über die weitere Gestaltung der Potsdamer Innenstadt mit dem als
Landtag wiederaufgebauten Stadtschloss gibt es bereits seit Jahren
einen heftigen Streit. Gegner der städtischen Baupläne kritisieren,
dass zu viel Geld in neue Gebäude nach historischem Vorbild gesteckt
werde. Auch wird teils kritisiert, dass bedeutende DDR-Architektur
zerstört werde.
Im vergangenen Jahr hatten mehr als 14 700 Einwohner das
Bürgerbegehren »Kein Ausverkauf der Potsdamer Mitte« unterschrieben.
Unter anderem ging es dabei um den Erhalt der FH. Doch die Stadt wies
das von der Linkspartei unterstützte Begehren als unzulässig zurück.
Das hernach entstandene Bündnis »Stadtmitte für alle« meldete am
Donnerstag ein Protestcamp vor der FH an: »Start jetzt, mindestens bis
Sonntagabend.« nd/dpa
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