Besetzer draußen, Studenten auch

Polizei räumte in der Nacht die FH Potsdam. Ein Protestcamp davor bleibt.

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

»Kommt rein«, steht am Freitag noch immer auf einem Transparent an der Fassade der Fachhochschule (FH) am Potsdamer Alten Markt. Doch das ist unmöglich. Polizisten haben sich am Eingang postiert und lassen niemanden herein, nicht einmal die Studenten des Fachs Soziale Arbeit, die hier vor Ende des Semesters noch ein Seminar haben. Die Studenten setzen sich einfach draußen hin und beraten dort den »Kehraus« – die Abschiedsveranstaltung für den Gebäudekomplex, den die FH nun aufgeben muss. Es gibt Ersatz am Stadtrand. Das in den 1970er Jahren errichtete Domizil soll neuen Wohnungen und Gewerbe weichen.

Es stehen Tische, Stühle und Sofas vor der FH. Es gibt Kaffee und sogar eine Hüpfburg. Jemand spielt Gitarre. Das Bündnis »Stadtmitte für alle« wollte an diesem Sonnabend sowieso wieder unter freiem Himmel über die tendenziell neobarocke Stadtentwicklungspolitik unter Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) diskutieren. Als am Donnerstag die Nachrichten kam, dass Aktivisten die Fachhochschule besetzt hatten, reagierte das Bündnis sofort, zog schnell die geplante Veranstaltung vor und meldete bei der Polizei ein Protestcamp an. Auf einer Wiese sind nun zwei Zelte aufgeschlagen.

»Das Protestcamp richtet sich gegen die Abrisspolitik der Stadt, die Menschen zur Besetzung der FH zwingt«, erläutert Bündnissprecher André Tomczak. Denn es gab ja im vergangenen Jahr mehr als 14 700 Unterschriften unter ein Bürgerbegehren gegen den Ausverkauf der Stadtmitte. Der Erhalt des abrissbedrohten FH-Gebäudes war ein zentrales Anliegen. Doch Oberbürgermeister Jakobs ließ das Bürgerbegehren für unzulässig erklären.

Die Stadt mache einen großen Fehler, wenn sie das Zentrum privatisiert, findet die Landtagsabgeordnete Anita Tack (LINKE), die bis Mitternacht vor Ort war. Das FH-Gebäude sei »voll funktionstüchtig« und ein Zeuge von DDR-Baukultur. Tack plädiert für eine Modernisierung und eine neue öffentliche Nutzung.

Dagegen stützt die Stadtverordnete Saskia Hüneke (Grüne) die Abrisspolitik. Ihre Fraktion erregt sich über angeblich unzutreffenden Behauptungen, es gehe um Preußenbarock und Kahlschlag, Vernichtung der Ostmoderne und die Aufgabe der letzten öffentlichen Räume.

»Hätten wir fair ausgestattete Bürgerbegehren in Brandenburg, dann wäre eine Besetzung des Gebäudes nicht nötig. Mit einem Bürgerentscheid hätte der aktuelle Streit um die Potsdamer Mitte entschieden werden können«, meint Oliver Wiedmann vom Verein »Mehr Demokratie«. Die Erfahrung zeige, dass Abstimmungsergebnisse von Bürgerentscheiden von allen Seiten anerkannt werden und Konflikte sich so beilegen lassen.

So jedoch kam es zu handfesten Auseinandersetzungen mit mehreren Verletzten, als am Donnerstagnachmittag weitere Menschen in die FH hineinwollten und als die Polizei das Haus am späten Abend räumte. Die Besetzter berichteten am Freitag, es seien Leute von Beamten die Treppe hinuntergestoßen worden und jemandem habe einen Faustschlag ins Gesicht bekommen.
Das Polizeipräsidium spricht von kleineren Rangeleien und dem Einsatz von Pfefferspray, »als mehrere Personen versuchten, unberechtigt und gewaltsam in das Gebäude zu gelangen«. Dabei habe ein Polizist leichte Handverletzungen erlitten. 16 Besetzer verließen die FH am Abend freiwillig, 29 harrten in der Mensa aus und wurden zwischen 22.33 Uhr und 22.51 Uhr herausgeholt. Rund 200 Beamte aus Berlin und Brandenburg waren im Einsatz und stellten die Personalien der Besetzer fest. Festnahmen gab es nicht, allerdings hagelte es Platzverweise und Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs.

Für das große Polizeiaufgebot samt einem Hubschrauber, der über dem Gelände kreiste, habe es keine Veranlassung gegeben, resümieren die Besetzer. »Natürlich ist es eine Niederlage für uns, dass FH-Gebäude zu verlieren«, gesteht Besetzer Franz Haberland ein. Mitstreiterin Fritzi Hausten freut sich aber über die erfahrene Solidarität und sagt: »Wir sehen diese Aktion nicht als Ende unseres Kampfes, sondern eher als einen Startpunkt für verstärkte Bemühungen.«

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