Panama-Papiere bedrohen Pakistans Premier
Nach einem Kommissionsbericht könnten gegen Nawaz Sharif 18 Strafverfahren eingeleitet werden
Noch vor zwei Monaten schien in Pakistan alles wie immer: Der oberste Gerichtshof sprach Ministerpräsidenten Nawaz Scharif in Sachen Panama-Offshore-Konten mit drei zu zwei Stimmen frei - aus Mangel an Beweisen. Die Familie Sharif und ihre Höflinge jubelten. Dass das Gericht eine Kommission beauftragt hatte, das Finanzgebaren der Sharifs genauer unter die Lupe zu nehmen, machte den Sharifs keine Kopfschmerzen.
Nur eines beunruhigte sie: In der sechsköpfigen Kommission nahmen ein Angehöriger der Armee und ein Geheimdienstler Platz. Es spricht Bände, dass dieses kleine Ermittlerteam schon nach kurzer Zeit mehr herausfand als das Oberste Gericht in einem Jahr und vor wenigen Tagens zu dem Schluss kam, gegen Sharif seien 18 Strafverfahren zu eröffnen. Mit der Aufdeckung einer mutmaßlichen Dokumentenfälschung, die von seiner Tochter Maryam zur Entlastung begangen wurde, könnte das politische Ende des Premierministers eingeleitet sein.
Neu sind die Anschuldigungen allerdings nicht. Es war allgemein bekannt, dass die Scharifs Offshore-Konten und Auslandsimmobilien besitzen und die Herkunft ihres erstaunlichen Vermögens nicht erklären konnten. So gibt die Familie den Wert ihres Palast-Wohnsitzes in Raiwind und den 40 Hektar großen »Garten« mit 250 000 Dollar an. Für dieselbe Summe kann ein begüterter Pakistaner in Islamabad gerade einmal ein 200 Quadratmeter großes Grundstück erwerben - ohne Palast.
Ebenfalls bekannt war, dass Nawaz Sharif nach seinem ersten Amtsjahr 2014 sein Vermögen versechsfacht hatte und offiziell zum Milliardär wurde. Ein Jahr zuvor war die andere Familienpartei Pakistans an der Macht: die Pakistanische Volkspartei (PPP) der Bhuttos. Vor aller Augen hatten sie ein Amtshilfeersuchen der Schweiz in Sachen Geldwäsche verschleppt, um Parteiführer Asif Ali Zardari zu retten.
Dass die Affäre Panama-Papiere nicht wie Dutzende andere pakistanische Korruptionsfälle im Sande verlief, ist Imran Khan zu verdanken. Der heute 64-jährige Politiker ist eine Art Franz Beckenbauer Pakistans. Als früherer Kapitän der einzigen Kricket-Mannschaft, die je den WM-Titel für Pakistan gewinnen konnte, nutzte er seine Popularität, um die politischen Verhältnisse anzuprangern.
17 Jahre lang kaum mehr als eine Einmannpartei, galt er als Don Quijote, der gegen die Windmühlen der Korruption ankämpfte. Vor vier Jahren zog Khan schließlich mit der zweithöchsten Stimmenzahl ins Parlament ein - ein Hoffnungsträger vor allem für die jungen fortschrittlichen Kräfte, die eine Trockenlegung des Politsumpfes herbeisehnten.
Seit seinem Einzug ins Parlament ist Khan zwar in etliche Fettnäpfchen getappt und hat an Popularität eingebüßt. Jedoch gilt er nicht als korrupt. Selbst als Pakistans Medien müde wurden, über Offshore-Konten zu berichten, gab Khan nicht auf. 2014, als Khan zum Marsch auf Islamabad aufrief, feierten sich die Milliardäre Sharif und Zardari als »Retter der Demokratie«. Khan weiß, dass er ohne politisches Netzwerk niemals Ministerpräsident werden kann. Also sucht er die Unterstützung lokaler Politgranden, korrupter Landlords, die die Stimmen ihrer Untertanen garantieren können. Doch persönlich bereichert hat sich Khan nicht.
Derweil sieht sich der Hoffnungsträger neuer politischer Konkurrenz gegenüber: Maryam Nawaz. Die Tochter Sharifs ist ausersehen, die Nachfolge ihres Vaters anzutreten. Über den Kurznachrichtendienst Twitter lhatte Maryam im Mai ihre Anhänger wissen lassen, dass die Panama Papers rein gar nichts mit Korruption zu tun hätten und niemanden interessieren würden.
Postwendend erhielt sie Antwort von Frederik Obermaier und Bastian Obermayer. Die beiden deutschen Journalisten haben für die »Süddeutsche Zeitung« die Panama Papers mit ausgewertet. Sie twitterten Maryam, dass die Papers sehr wohl etwas mit Korruption zu tun hätten und es bislang in mehr als 80 Ländern zu 150 Ermittlungsverfahren gekommen sei. Ein Tweet ohne große Folgen. Solche Peinlichkeiten der beiden mächtigsten Politikerfamilien gehören zum pakistanischen Alltag.
Auch der König der Unverfrorenheit, der ehemalige Innenminister Rehman Malik, ebenfalls in der Bhutto-Partei, äußert sich noch heute zu allem und jedem. Während seiner Amtszeit wandte er sich polternd an seinen Energieminister und verlangte die Namen all jener, die ihre Stromrechnung nicht bezahlten. Er würde die Sünder zur Rechenschaft ziehen und das Geld eintreiben. Ein paar Wochen später kam heraus, dass er selber seit Jahren die eigenen Stromrechnungen nicht bezahlt hatte.
Bei den Offshore-Konten haben die Maliks und Sharifs des Landes leichtes Spiel. Sie erzählen ihren Anhängern einfach, die Panama Papers seien Teil einer ausländischen Verschwörung, deren Ziel es einzig sei, Pakistan zu schaden. Dann wenden sie sich der nächsten Fernsehkamera zu und behaupten, Imran Khan sei hier der Korrupte, weil auch sein Name in den Panama-Papieren auftauche. Tatsächlich konnte Khan innerhalb von 24 Stunden den Geldfluss für den Kauf seiner Londoner Wohnung offenlegen und nachweisen, dass er dabei »nur« den britischen Fiskus übers Ohr gehauen hatte.
Realisten wissen, dass das Pflänzchen Demokratie in Pakistan nur gedeihen kann, wenn auch unbequeme Wahrheiten ausgesprochen werden, ohne dass Verhaftung oder gar Ermordung drohen. Khan hat bereits eine deutliche Botschaft erhalten. Vergangene Woche veranlasste ein Anti-Terrorismus-Gericht, Wertgegenstände von Khan zu beschlagnahmen, weil er zu einer Anhörung dieser fragwürdigen Sondereinrichtung der Armee nicht erschienen war. Nach wie vor kann in Pakistan jeder Zivilist jederzeit unter beliebigen Vorwänden abgeholt werden. Strafverfahren sind schnell zusammengezimmert. Wer wie Khan die Stimme erhebt, den hat die Staatsmacht im Visier. Längst sind Anklagen gegen ihn vorbereitet - wegen seines Marsches auf Islamabad im Jahr 2014.
Nach neun Jahren »Demokratie« ist das pakistanische Militär offenbar zum Schluss gekommen, dass es keine Putsche mehr braucht. Es hat in jeder Partei seine Marionetten sitzen. Selbst wenn Scharif verurteilt werden sollte, bleibt gewiss: Die Scharifs und Bhuttos werden sich nicht aus der Politik verabschieden. Egal wer 2018 das Amt des Premiers antritt: Das Militär wird die Richtung bestimmen.
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