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Die Grenzen der Geheimniskrämerei

Verfassungsgericht beschließt, LINKE und Grüne müssen mehr Informationen zum Oktoberfest-Attentat erhalten

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Frage- und Informationsrecht des Parlaments wird von der Bundesregierung zuweilen nicht sonderlich ernst genommen. Wenn es um heikle Themen geht, mauert die Koalition. Als LINKE und Grüne etwa seit Oktober 2014 nach Geheimdiensterkenntnissen zu dem Münchner Oktoberfest-Attentat von 1980 und nach Erkenntnissen über mögliche V-Leute in der rechtsradikalen Wehrsportgruppe Hoffmann fragten, verweigerte die Bundesregierung Antworten auf zentrale Fragen. Sie behauptete, dass die Geheimhaltung notwendig sei, um Leib und Leben möglicher V-Leute nicht zu gefährden und die Arbeitsweise der Nachrichtendienste nicht zu beeinträchtigen.

Für das Bundesverfassungsgericht sind das zwar grundsätzlich gute Argumente, um der Opposition Informationen vorzuenthalten, aber im besagten Fall hätten einige Fragen durchaus beantwortet werden müssen, ohne dass das Staatswohl oder mögliche V-Leute gefährdet worden wären. Nachdem LINKE und Grüne vor zwei Jahren eine Organklage eingereicht hatten, urteilten die Karlsruher Richter am Dienstag, dass die beiden Fraktionen teilweise in ihren Rechten verletzt worden seien.

Die Oppositionspolitiker setzen sich kritisch mit dem dubiosen Abschlussbericht der Ermittler zu Beginn der 80er Jahre auseinander, wonach Gundolf Köhler ein Einzeltäter ohne politisches Motiv gewesen sei. Köhler war ein Neonazi, der bei der Wehrsportgruppe Hoffmann trainiert hatte, die 1980 verboten wurde. Weil noch viele weitere Fakten gegen die Thesen der Ermittler sprechen, hatte Generalbundesanwalt Harald Range Ende 2014 die Wiederaufnahme der Ermittlungen angeordnet.

Nach Meinung der Verfassungsrichter hätte die Frage der Grünen beantwortet werden müssen, ob und gegebenenfalls für welche Behörde Heinz Lembke ein V-Mann gewesen sei. Bereits einen Tag nach dem Attentat, bei dem durch die Explosion einer Rohrbombe 13 Menschen, darunter Köhler, getötet und mehr als 200 verletzt wurden, hatten inhaftierte Mitglieder der neonazistischen Deutschen Aktionsgruppen ausgesagt, dass Lembke zahlreiche Waffen besitze und es einen Zusammenhang zum Wiesnattentat geben könnte. Nachdem bei ihm tatsächlich ein großes Lager mit Waffen und Sprengstoff gefunden wurde, stellte der Neonazi Lembke in Aussicht, Hintermänner zu benennen. Doch kurz vor seiner Vernehmung wurde er erhängt in seiner Zelle gefunden. Die bayerischen Ermittler sahen keinen Grund, sich weiterhin gründlich mit dieser Fährte zu beschäftigen.

In der Spurenakte steht der Vermerk, dass »Erkenntnisse über Lembke nur zum Teil gerichtsverwertbar« seien. Nach Einschätzung des Münchner Opfer-Anwalts Werner Dietrich gibt es solche Vermerke normalerweise nur bei V-Leuten oder Mitarbeitern von Geheimdiensten.

Auch andere mögliche Geheimdienstinformanten könnten mit dem Attentat in Verbindung stehen. Walter Ulrich Behle hatte seine Tätigkeit als V-Mann des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes selbst preisgegeben. Behle war Mitglied der Wehrsportgruppe Hoffmann und hatte in Damaskus kurz nach dem Münchner Anschlag gesagt: »Das waren wir selbst.« Später revidierte Behle diese Aussage. Er sei betrunken gewesen und habe nur aufschneiden wollen.

Nach dem Karlsruher Urteil hätte auch die Frage der Linksfraktion, wie viel die Quellen den Nachrichtendiensten gemeldet hatten, beantwortet werden müssen. Auch Informationen über die Gesamtzahl der von den Verfassungsschutzämtern eingesetzten V-Leute in der Wehrsportgruppe hielten die Richter für unproblematisch.

Dagegen sahen sie die Gefahr einer Enttarnung der vom Bundesnachrichtendienst möglicherweise eingesetzten V-Leute als erheblich an, »wenn die Bundesregierung ihre bloße Existenz bestätigte«. Es kämen insbesondere Mitglieder der Nachfolgeorganisation Wehrsportgruppe Ausland in Betracht, die nur noch 15 Mitglieder hatte. Wegen dieser geringen Zahl würde die Gefahr einer Enttarnung bei einer positiven Beantwortung steigen. Die Wehrsportgruppe Ausland war seit 1980 in Libanon tätig, wo sie enge Kontakte zur palästinensischen PLO pflegte.

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