Bezahlter Türkei-Jubel weiterhin auch bei Springer
Robert D. Meyer über Denis Yücel und eine zweifelhafte PR-Kampagne
An diesem Freitag wird der Journalist Deniz Yücel seit 159 Tagen ohne Anklage in türkischer Haft sitzen. Regelmäßige Leser von der »Welt« werden dies sehr genau wissen, die Tageszeitung erinnert jeden Tag auf ihrer Titelseite mit einer kleinen Anzeige in der linken Ecke daran. Dass die Kollegen vom Springer-Verlag weiterhin in Sorge um ihren inhaftierten Kollegen sind, daran besteht kein Zweifel. Erst am Mittwoch teilte die WeltN24 GmbH mit, Beschwerde beim türkischen Verfassungsgericht in Ankara wegen des Verstoßes gegen die Pressefreiheit einzulegen. »Die Vorwürfe gegen Deniz Yücel sind abwegig, er hat lediglich als Korrespondent der ›Welt‹ journalistisch-professionell über die Geschehnisse in der Türkei berichtet«, erklärt Geschäftsführerin Stephanie Caspar auf Welt.de.
Einen »Umstand mit Geschmäckle« nennt es Silke Burmester auf taz.de jedoch, dass zahlreiche deutsche Medienhäuser, darunter auch Springer, mit »Türkei-Jubelanzeigen« Geld verdient haben und teilweise noch immer verdienen. Natürlich tritt der türkische Staat dabei nicht direkt als Auftraggeber in Erscheinung. Die bereits seit diesem Frühjahr laufende PR-Kampagne wird über die in der Schweiz ansässige Medienagentur Global Connection (GC) abgewickelt, deren Auftraggeber wiederum die von der Regierung unterstützte Dachorganisation Türkischer Exporteure ist.
Auf ihrer Website gibt GC bis heute eine strategische Partnerschaft mit dem Springer-Verlag an. Nach Recherchen Burmesters fand sich noch im März in der »Welt« eine Türkei-Reisebeilage mit dem Logo von Global Connection. Yücel saß da längst in türkischer Haft. Nun ließe sich annehmen, dass Springer umgehend seine Zusammenarbeit mit einem Unternehmen aufkündigen würde, das die »Verbreitung des türkischen Beziehungshonigs« (Burmester bei deutschlandfunk.de) vorantreibe. Weit gefehlt: Vor knapp drei Wochen erschien sowohl in der »Zeit« als auch in der »FAZ« eine zwölfseitige Anzeigenbeilage mit dem Titel »Turkey - Discover the potential«, die die engen Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und der Türkei pries und die freundschaftlichen Beziehungen bejubelte. Und leider ist auch Fakt, dass die Beilage »in der Druckerei von Axel Springer im Auftrag der ›Zeit‹ gedruckt« wurde. »Es ist die Frage, wie lange Chefredakteure es noch zulassen wollen, dass irgendwelche BWL-Hansel, getragen von einem Moralvakuum und Eurozeichen in den Augen, die Reputation ihrer Blätter kaputt machen«, fragt Burmester.
Noch jedenfalls scheint bei Springer und seiner Tochter WeltN24 der schnöde Mammon über die Moral zu siegen, wie ein weiteres Beispiel zeigt. Seit Wochen fehlt in kaum einer Werbepause des Nachrichtensenders N24 eine Reihe von TV-Spots, in denen wahlweise der Fußballspieler Lukas Podolski oder die türkischen Chefs diverser globaler Konzerne, darunter Vodafone und General Electric, das Land am Bosporus und dessen Erfolgsgeschichte feiern. Nicht nur Deniz Yücel dürfte darauf eine andere Perspektive haben. Ob Springer seine Einnahmen aus dem Geschäft in die Unterstützung in der Türkei inhaftierter Kollegen steckt?
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