Adlershof ist Schwammstadtteil
In der Wissenschaftsstadt versickert Regenwasser im Boden und verdunstet auf Dächern
Adlershof ist smart. Nicht nur was die Forschung betrifft, sondern auch im Umgang mit Regenwasser. In der Wissenschaftsstadt läuft es meist nicht vom Rinnstein in die Kanalisation, sondern in den modernen Straßengraben. »Qualifiziertes Trennsystem« heißt das erstmals in der Hauptstadt angewandte Prinzip, nachdem dabei verfahren wird. »Je nach Verschmutzungsgrad fließt das Regenwasser entweder in die Kanalisation oder direkt in die Mulden«, sagt Kay Joswig. Er ist Leiter der Abteilung Grundsatzplanung Abwasser bei den Berliner Wasserbetrieben (BWB).
Die vielbefahrene und entsprechend verschmutzte Rudower Chaussee hat Gullis für das Regenwasser, das in der Fachsprache übrigens auf den schönen Namen Meteorwasser getauft wurde, während es in den Nebenstraßen zwischen Bürgersteig und Fahrbahn angelegte Gräben aufnehmen. Die Mulden werden durch eine 30 Zentimeter dicke Humusschicht zu kleinen Klärwerken. Die darin enthaltenen Lebewesen filtern einen Großteil der Schadstoffe heraus. »Das ist ein sehr simples und robustes System und auf jeden Fall billiger als Kanäle zu bauen«, erklärt Joswig.
Allerdings benötigt man mehr Platz für die Gräben. »Da reiben wir uns dann mit Investoren, deswegen experimentieren wir auch mit senkrechten Wänden«, sagt Joswig. 1,80 Euro pro Quadratmeter versiegelter Bodenfläche pro Jahr verlangen die Wasserbetriebe. »Dieses Geld können sich die Grundstücksnutzer mit eigener Versickerung sparen«, erklärt BWB-Chef Jörg Simon. Der große Regen vor drei Wochen füllte in Adlershof zwar die Mulden, aber zu Überflutungen kam es nicht.
Es geht aber durchaus ansprechender. Was zunächst wie ein halbwildes Blumenbeet aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung ebenfalls als Versickerungsgraben. Zunächst befürchtete Probleme wie Verschlammung blieben aus. Joswig liegt sicher nicht falsch, wenn er glaubt, dass mit solchen Lösungen die Akzeptanz erhöht werden kann.
Doch die Schwammstadt, so wird die Bauweise genannt, bei der Regenwasser vor Ort versickert, erstreckt sich auch auf die Dächer der verschiedenen Institute. Sie sind begrünt. Drei Vorteile nennt Joswig: Zunächst speichern die Gründächer das Wasser. Die anschließende Verdunstung über die Pflanzen wirkt sich auch positiv auf das immer heißer werdende Stadtklima aus. Und auch die Nutzer des Gebäudes profitieren. »Flachdächer ohne Bewuchs werden im Sommer bis zu 60 Grad heiß, mit Grün steigt die Temperatur nur auf etwa 30 Grad«, sagt Joswig.
Endstation für das Regenwasser aus der Rudower Chaussee ist übrigens nicht irgendein Klärwerk am Stadtrand, sondern der sogenannte Retentionsbodenfilter direkt am Rand der Wissenschaftsstadt. Das ist ein mit Sand gefülltes Becken, in dem das Schilf hoch steht. Nach der Klärung wird das Wasser in den Teltowkanal geleitet.
»Wir müssen in der wachsenden Stadt stärker darauf achten, wie viel Wasser in die Kanalisation geleitet wird«, sagt Umwelt-Staatssekretär Stefan Tidow (Grüne). »Solche Lösungen wie in Adlershof sind leider immer noch nicht Standard, aber das Bewusstsein dafür wächst«, so Tidow weiter. Das Neubaugebiet an der Rummelsburger Bucht ist übrigens ähnlich organisiert.
»Wir können keinen Bauherren dazu zwingen«, bedauert Jörg Simon, Chef der Wasserbetriebe. »Die Versickerung hat sich allerdings bisher als wirksamer Überflutungsschutz erwiesen«, berichtet Simon. »Es gibt also durchaus auch Vorteile für Bauherren.« Die Wasserbetriebe suchen bereits Mitarbeiter für die neue Regenwasseragentur, die die rot-rot-grüne Koalition im März beschlossen hatte.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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