Kommission macht Druck
Brüssel droht Polen bei Richterentlassung mit Stimmrechtsentzug
Brüssel. Im Streit um die Justizreform in Polen hat die EU-Kommission ihr schwerstes Geschütz aufgefahren: Die Behörde drohte am Mittwoch, sie werde »sofort das Verfahren zu Artikel 7« des EU-Vertrags auslösen das bis zu einem Stimmrechtsentzug führen kann, wenn Warschau Richter des Obersten Gerichtshofs in den Ruhestand zwinge. Für den Fall des Inkrafttretens anderer Reformteile hat die Behörde bereits ein Vertragsverletzungsverfahren beschlossen, das zu empfindlichen Geldbußen führen kann. Polen warf Brüssel »Erpressung« vor.
Schon die Auslösung von Artikel 7 wäre ein bisher einzigartiger Schritt. Über Sanktionen müssten dann aber die anderen EU-Länder entscheiden. Als Voraussetzung für die Einschränkung von Rechten Polens oder den Stimmrechtsentzug ist dabei ein einstimmiger Beschluss nötig. Ungarns Regierungschef Viktor Orban hat bereits klar gemacht, dass er ein Vorgehen gegen Warschau nicht mittragen würde.
Die Kommission setzte Warschau eine Frist von einem Monat. Die nationalkonservative Regierung in Warschau müsse bis dahin »Gesetze zur Reform des Justizwesens entweder zurückziehen oder sie in Übereinstimmung mit der polnischen Verfassung und europäischen Standards zur Unabhängigkeit des Justizwesens bringen«.
Polens Regierung reagierte empört. »Wir werden keine Erpressung von Seiten von EU-Funktionären akzeptieren«, sagte Regierungssprecher Rafal Bochenek der polnischen Nachrichtenagentur PAP. Alle von der polnischen Regierung angestrebten Änderungen stünden im Einklang »mit der Verfassung und demokratischen Regeln«.
Die Kommission liegt seit Anfang 2016 mit Warschau im Clinch, als die nationalkonservative Regierung aus ihrer Sicht die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts beschnitt. Damals leitete Brüssel ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen ein - erstmals überhaupt in der EU-Geschichte.
Alle Versuche, darauf im Dialog oder mit Empfehlungen zum Ziel zu kommen, scheiterten jedoch. Warschau trieb in den vergangenen Wochen dann weitere Justizreformen voran - trotz Protesten tausender Menschen. Dazu gehört ein Gesetz, das es dem Justizminister ermöglicht, Richter des Obersten Gerichtshofs in den Ruhestand zu schicken. AFP/nd
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