Über 18 Millionen pendeln in Deutschland

Hohe Miet- und Immobilienpreise in Städten offenbar Hauptursache / LINKE-Fraktionsvize Zimmermann: »Preis der erhöhten Mobilität ist zunehmender Stress«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. In Deutschland gibt es immer mehr Pendler. Der Anteil der Beschäftigten, die zum Teil lange Wege zum Arbeitsplatz und zurück in Kauf nehmen, ist im vergangenen Jahr um 0,2 Prozentpunkte auf einen neuen Rekordwert von 59,4 Prozent gestiegen, wie das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung der Deutschen Presse-Agentur in Berlin mitteilte. Damit wuchs die Zahl der Pendler von knapp 18 auf 18,4 Millionen.

Die Stadt mit den meisten Arbeitnehmern, die außerhalb wohnen, war München mit 365 000 Pendlern (2015: 355 000). Zu den Hauptgründen zählten die hohen Miet- und Immobilienpreise in den Städten sowie die gestiegene Beschäftigung, sagte der Experte Thomas Pütz des in Bonn ansässigen Bundesinstituts der dpa.

Die Linke-Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann hob hervor, dass auch immer noch viel mehr Beschäftigte aus Ostdeutschland zum Arbeiten in die westlichen Bundesländer pendeln als umgekehrt. 2016 pendelten rund 404 000 ostdeutsche Beschäftigte in den Westen, 1999 waren es 308 000. Umgekehrt kamen aus Westdeutschland im Jahr 2016 nur 158 000 Beschäftigte zum Arbeiten in die neuen Länder, 1999 waren es rund 77 000.

Angesichts der negativen Folgen des Pendelns für die Umwelt durch Verkehr und Flächenverbrauch sowie für die Gesundheit der Betroffenen forderte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) bereits im Frühjahr: »Wir müssen in die Verbindung von Stadt und Land investieren, durch einen modernen und leistungsfähigen ÖPNV zum Beispiel.«

Die Linken-Fraktionsvize Zimmermann sagte der dpa: »Der Preis der erhöhten Mobilität ist zunehmender Stress, insbesondere bei den so genannten Fernpendlern, bis hin zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen.« Tatsächlich wird Pendeln häufig als Belastung wahrgenommen, die sich auf die Gesundheit auswirken kann, wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden warnt.

Zimmermann sagte: »Hier sind die Arbeitgeber gefordert, Arbeitszeitmodelle zu finden, die den Beschäftigten Flexibilität einräumen und dem Pendelstress entgegen wirken.« Der hohe Pendlerüberschuss von Ost nach West sei Ausdruck der Flucht vor Arbeitslosigkeit und Niedriglöhnen in den neuen Ländern. »Über 25 Jahre nach der Wende kann definitiv nicht von gleichwertigen Lebensverhältnissen gesprochen werden.«

Nicht nur zwischen Großstädten und Umland, auch zwischen den Bundesländern gibt es immer mehr Pendler. Waren dies 1999 noch 2,17 Millionen Arbeitnehmer, stieg die Zahl bis 2016 auf 3,15 Millionen. Das errechnete Zimmermann anhand der einschlägigen Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA), die auch die Grundlage für die Angaben des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung sind. Für das Institut lieferte die BA Daten zu Pendlern auf Gemeindeebene. Nicht erfasst wird, ob ein Arbeitnehmer beispielsweise bei großen Distanzen unter der Woche am Arbeitsort wohnt und nur zum Wochenende zu seinem hauptsächlichen Wohnort fährt, wie ein BA-Sprecher erläutert.

Im Durchschnitt werden auch die Pendel-Entfernungen immer länger. So betrug die Länge des einfachen Arbeitswegs laut Bundesinstitut im vergangenen Jahr im Schnitt 16,91 Kilometer, im Jahr davor waren es 16,76, 1999 nur 14,59 Kilometer.

Insgesamt gab es beim Pendeln zwischen 1999 und 2005 einen besonders deutlichen Anstieg. Seit Ende der 2000er Jahre stagniere die durchschnittlichen Pendeldistanz weitgehend, während der Anteil der Pendler weiter leicht zunehme, wie Experte Pütz erläuterte. Wegen der steigenden Beschäftigtenzahlen würden es Jahr für Jahr in absoluten Zahlen aber deutlich mehr Pendler. dpa/nd

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.