Mit der »Bez Granic« grenzenlos über die Oder
Seit 2007 verbindet eine kleine Oder-Fähre das polnische Dorf Gozdowice mit Güstebieser Loose im Oderbruch - sie ist die einzige seit 1945
Über die Oderfähre bei Güstebieser Loose (Märkisch-Oderland) weiß Heino Hille gut Bescheid. In einem kleinen Holzhäuschen am Oder-Neiße-Radweg gibt er Touristen gern Auskunft über die derzeit einzige Fähre, die auf dem Grenzfluss verkehrt. Seit zehn Jahren ist sie unterwegs. »Fähre fahren ist schon ein Erlebnis«, sagt Hille voller Überzeugung - dabei ist er selbst noch nie mit der »Bez Granic« (Ohne Grenzen) übergesetzt. »Ich traue mich einfach nicht«, gibt er zu.
Manchmal kann Hille die vielen Fragen der Touristen kaum beantworten. Denn er muss im Auftrag der Arbeitsinitiative Letschin auch noch die Radfahrer zählen. »Jetzt in der Urlaubssaison sind es täglich so 150«, so Hille. Viele der Radler fragen ihn nach der Oderfähre, die einem kleinen Schaufelraddampfer ähnelt. »Das ist nach zehn Jahren so etwas wie ein Wahrzeichen der deutsch-polnischen Grenzregion geworden«, sagt Hille mit hörbarem Stolz.
Von seinem Häuschen aus führt die Zufahrtsstraße über die Oderwiesen bis zum Fähranleger. Fußgänger, Radfahrer und Fahrzeuge mit einem Gewicht bis zu 3,5 Tonnen dürfen mitfahren. Hille erzählt interessierten Gästen »aus ganz Deutschland«, was sie sich auf der polnischen Seite anschauen können und welche Wege Radwanderer nehmen sollten, um am Fluss entlang weiter zu kommen.
Jährlich befördert die Fähre zwischen April und Oktober rund 15 000 Passagiere. Das gefahrlose Übersetzen hat an dieser Stelle Tradition. Bis 1945 war das Örtchen Güstebiese ein prächtiges Dorf am Ostufer der Oder, beliebt bei Berliner Sommergästen. Am gegenüberliegenden Ufer gab es nur ein paar sogenannte Loosegehöfte, die per Fähre auf dem kürzesten Wege zu erreichen waren. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde aus dem zerstörten Güstebiese das polnische Gozdowice, die Oder zur Grenze und aus den einzelnen Bauerngehöften am Westufer das deutsche Dorf Güstebieser Loose.
Leicht hatte es die vom Amt Barnim-Oderbruch und der polnischen Stadt Mieszkowice initiierte Neuauflage der Fähre anfangs nicht. Allein wegen die schwankenden Wasserstände der Oder zwangen das kleine Schiff oft, im Hafen zu bleiben. »Aus technischen Gründen verkehrt die Fähre derzeit nicht«, hieß es dann auf der Internetseite des Amtes Barnim-Oderbruch. Schon der Start war holperig. Hatte doch die polnische Werft, auf der die Fähre gebaut wurde, die Fließgeschwindigkeit des Grenzflusses falsch berechnet, so dass die Getriebeübersetzung nicht stimmte.
Diese Probleme sind längst überwunden. In der aktuellen Saison gab es, wie Agnieszka Ruchniak von der Stadtverwaltung Mieszkowice betont, noch keine Ausfälle. »Touristisch gesehen ist die Fähre für uns ein Gewinn. Das merken wir an den vielen deutschen Radtouristen in unserer Stadt«, sagt sie. Längst sollte ein neuer Radweg vom Fähranleger Gozdowice nach Mieszkowice führen. Doch die dafür beantragten EU-Fördermittel sind noch nicht bewilligt. Ähnlich gehe es der deutschen Seite, sagt Vize-Amtsdirektorin Sylvia Borkert. Auch der geplante Radweg von Neulewin nach Güstebieser Loose existiert bisher nur auf dem Papier.
Ein Info-Service-Punkt auf deutscher Seite, für den einst Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) den ersten Spatenstich vollzogen hatte, ist inzwischen Geschichte. »Den braucht doch keiner«, sagt Borkert. Am polnischen Oderufer hatte man in einem früheren Zoll-Gebäude eine ähnliche Service-Station eingerichtet, die aufgrund der geringen Nachfrage wieder geschlossen wurde. Insgesamt aber ist die stellvertretende Amtschefin stolz auf das Fährprojekt als »Aushängeschild einer 25 Jahre andauernden, engen Zusammenarbeit mit Polen«. »Wir profitieren auf beiden Seiten der Oder eindeutig davon. Das merken wir an den vielen Gästen«, sagt sie. Und immerhin sei es das einzige Fährprojekt, das bisher auch realisiert wurde. Denn andere deutsche Oder-Anrainer wie Kienitz, Lebus (beide Märkisch-Oderland) oder Aurith (Oder-Spree) hätten sich um die Wiederaufnahme alter Fährverbindungen, die es dort bis 1945 gab, bisher vergeblich bemüht.
Der zehnte Jahrestag der Fährverbindung »Bez Granic« jedenfalls wird am 5. August mit einem gemeinsamen Fest am Ufer von Güstebieser Loose gefeiert. dpa/nd
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