Autonome fahren keinen Porsche

Die »Linksextremismus«-Prävention ist fulminant gescheitert, belegt eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung

  • Markus Mohr
  • Lesedauer: 5 Min.

Ein paar Tage vor dem G20-Meeting in Hamburg brannten im Porschezentrum in Eidelstedt zehn Pkw der Luxusmarke ab. Von den Sicherheitsbehörden wurden Linksextremisten dieser Tat verdächtigt und auch auf diversen Onlineforen ärgerten sich anonyme Kommentatoren über vandalistische Links-Bagaluten.

Bemerkenswerterweise scherte in diesen anschwellenden Bocksgesängen auf der GMX-Homepage ein einsamer Rufer aus: Er verwies darauf, dass aus seiner Sicht Autonome als Täter eines derartigen Anschlages eigentlich nicht infrage kämen, da diese doch gar keine Porsche fahren würden. Man solle hier doch ruhig auch mal an eine – wie der Kommentator formulierte – »warme Sanierung« denken. Worauf mag er da nur angespielt haben?

Richtig ist, dass sich sehr viele Verbrechen innerhalb von Familien ereignen und als solche präsentiert sich das Team aus dem Porsche-Zentrum in Hamburg in seinem sympathisch komponierten Werbefilm. Mehr noch: Ein KFZ-Mechatroniker kommt darin zu Wort mit der markanten Aussage: »Also man macht sich hier nach wie vor die Hände schmutzig, na klar«. Auch das kann ein wichtiger Hinweis für vieles sein, über den nachgedacht werden muss.

Wahr ist jedenfalls auch, dass bis auf den heutigen Tag kein Bekennerbrief zu dem Verglühen jener nicht nur für Empfänger von Leistungen des SGB II (Hartz IV) völlig unverfügbaren Nobelkarossen aufgetaucht ist – auch nicht auf der allseits geschätzten Onlineplattform Linksunten Indymedia.

So zeigt sich auch hier, dass der Linksextremismus immer mal wieder in der Öffentlichkeit als ein großes brandgefährliches Gespenst durch die Obsessionen seiner Betrachter gejagt wird, um auch so von ganz anderen Dingen abzulenken.

Hetze gegen linke selbstverwaltete Zentren

Das ist eindeutig in der herrschenden Aufarbeitung der Ereignisse zum G20 der Fall, in der nunmehr der »Linksextremismus« in besonderer Weise in das Visier von Politikern, Funktionären der Sicherheitsbehörden und rechten Journalisten geraten ist. Dabei zieht ausgerechnet die in Sachen Menschenjagd vielfältig profilierte »Bild«-Redaktion gegen das autonome Zentrum Rote Flora eine Kampagne unter dem Stichwort »keine rechtsfreien Räume in Deutschland« hoch.

Die komplett von den Sicherheitsbehörden überwachte Rote Flora ein rechtsfreier Raum? Der Witz ist gut, gerade wenn man bedenkt, wie »Bild« auch damit klug darauf setzt, den unter der Führung des »Bimbes«-Patriarchen Helmut Kohl wenigstens über drei lange Jahrzehnte kreativ praktizierten ziemlich »rechtsfreien Raum« der CDU-Spendenfinanzierung auch weiterhin dem Vergessen anheimfallen zu lassen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer, twitterte direkt an die Bundesfamilienministerin Katarina Barley gerichtet die Nonsensfrage: »Machen wir präventiv genug gegen Linksextremismus?« Und diese parierte eilfertig mit der Aussage: »Unter SPD-Führung hat BMFSFJ zweieinhalb mal soviel gegen Linksextremismus investiert wie unter schwarz-gelb. CDU auf linkem Auge blind?«

So steht spätestens nach den Bundestagswahlen begründet zu erwarten, dass die staatlichen Mittel zur »Linksextremismusprävention« massiv hochgefahren werden. So werden nun mal von der Regierung die politischen Vorzeichen für die nachfolgende Verwaltung gesetzt. Bitter im Zusammenhang der Extremismusdoktrin ist allemal, dass aus der Sicht der an der Regierung befindlichen Elite eine auf der Straße verschmorende Plastikmülltonne als deutlich gefährlicher bewertet wird, als ein von hiesigen Rassisten erschlagener Migrant.

Fehlschüsse der Extremismusprävention

Es gehört nun zu den Vorzügen einer von den beiden Wissenschaftlern Maximilian Fuhrmann und Martin Hüneman im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung erstellten Broschüre unter dem Titel »Fehlschüsse der Extremismusprävention«, den zutiefst irrationalen Charakter der sogenannten »Linksextremismusprävention« aus der jüngsten Vergangenheit herauszuarbeiten. Konzise skizzieren sie, wie der weitgehend identisch vom Verfassungsschutz und der Extremismusforschung übernommene Ansatz einen mutmaßlichen »Linksextremismus« in die Prävention zu überführen fulminant scheitert, kurz: »Die Erprobung in der 2010 eingeführten Links-Extremismus-Prävention offenbart Mängel, die sich darauf zurückführen lassen, dass der Kategorie (Links-)Extremismus kein soziales Phänomen entspricht.«

In einer Durchsicht der bislang durchgeführten Projekte gegen Linksextremismus diagnostizieren Fuhrmann und Hünemann unter anderem eine »Querfinanzierung von Sicherheitsbehörden durch Programme zur Förderung der Zivilgesellschaft, (die) beispiellos ist«, und weisen darauf hin, dass durch mehrere Projekte eine direkt im Sinne der politischen Agenda der Sicherheitsbehörden »gesteuerte Beweisführung« fundamental gegen die Standards der politischen Bildung verstoßen wurde. Andere Projekte wiederum, »die ausgehend von den als linksextrem bezeichneten Phänomenen versuchten, pädagogische Angebote zu gestalten, änderten ihre Ziele von ›gegen Links-Extremismus gerichtet‹ hin zu Demokratieförderung.« Fuhrmann und Hünemann bilanzieren unmissverständlich: Die »Erprobung des Konzepts im Bereich Links-Extremismus« erweise endgültig »seine Unbrauchbarkeit als Stichwortgeber für die pädagogische Prävention«.

Deutlicher kann man das aus der Perspektive der Fachkunde nicht formulieren. Aber es ist eben auch ein Irrglaube darauf zu hoffen, dass die von Johannes Agnoli in einem Interview im »neuen deutschland« vom Mai 1998 prognostizierte »härtere Form der politischen Machtausübung« dazu bereit sein wird, sich an Standards pädagogischer Fachkunde zu orientieren. Aber auch das wird Autonome niemals dazu zwingen können, Porsche zu fahren.

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