Die vergessenen Aktivistinnen

Vor 60 Jahren wurde der Demokratische Frauenbund Deutschlands gegründet

  • Rita Pawlowski
  • Lesedauer: ca. 4.5 Min.

Zum Internationalen Frauentag 1947 wurde im Berliner Admiralspalast der Demokratische Frauenbund Deutschlands gegründet. 1990 wurde aus dem einst großgeschriebenen DFD der kleingeschriebene dfb - Demokratischer Frauenbund, der sich den Prinzipien des Gründungskongresses und der UN-Charta verpflichtet fühlt. Wer waren die Frauen, die am Anfang standen? Was ist aus ihnen geworden? Nur an einige kann hier von unserer Autorin erinnert werden.

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit diskutierte der Zentrale Frauenausschuss der sowjetischen Besatzungszone auf einer Arbeitstagung am 7. und 8. Dezember 1946 in Berlin die Frage, ob die Zeit für die Bildung einer einheitlichen Frauenorganisation für Deutschland reif sei. Während die Parteien der sowjetischen Besatzungszone seit dem Sommer heftige Diskussionen zu dieser Frage führten und mehrheitlich die Organisierung der Frauen außerhalb der Parteien ablehnten, stimmten die 200 Vertreterinnen der Frauenausschüsse, parteilose Frauen, Christdemokratinnen, Liberaldemokratinnen, Kommunistinnen und Sozialdemokratinnen, geschlossen für eine einheitliche, überparteiliche und demokratische Frauenorganisation und bildeten ein 78-köpfiges Gründungskomitee. Bereits im Februar 1947 verließen einige in der CDU organisierte Frauen das Gründungskomitee, beugten sich dem Beschluss ihrer Partei, in der neuen Frauenorganisation nicht mitzuarbeiten. Die Liberaldemokratische Partei gestattete ihren weiblichen Mitgliedern eingeschränkte Mitarbeit. Die SED hatte bereits ab Mai/Juni 1946 die Gründung einer Frauenorganisation bis Ende des Jahres explizit angestrebt, eine hochrangige Kommission des SED-Zentralsekretariats dafür eingesetzt und auf Drängen der sowjetischen Militäradministration ein beschleunigtes Tempo bei der Verbandsgründung umgesetzt. Das parteipolitische Gerangel um die Gründung des DFD verzögerte zwar dessen Gründung von Dezember 1946 auf März 1947, konnte aber nicht verhindern, dass Frauen aller Parteien am 9. März 1947, dem dritten Tagungstag des Deutschen Frauenkongresses für den Frieden, den Demokratischen Frauenbund Deutschlands im Berliner Admiralspalast gründeten. Wer waren die Frauen, die von Dezember 1946 bis Februar 1947 im Gründungskomitee um Programm, Statuten und Namen der neuen Organisation stritten, die trotz einer starken öffentlichen Gegenströmung und trotz Eingriffe der Besatzungsmacht die inhaltliche Programmatik des Frauenbundes auf den Weg brachten? In der DFD-Historiografie sind die Auskünfte dazu rar, und im Lauf der Jahre wurde der Kreis aus politischen Erwägungen heraus auf ca. 15 Gründerinnen reduziert. Die zahlenmäßig stärkste Gruppe im Gründungskomitee stellte die SED mit 34 Frauen. Diese Partei hatte ihre erfahrensten Funktionärinnen aus der Zentrale und den Ländern in das Komitee entsandt: die SED-Frauensekretärinnen Elli Schmidt und Käthe Kern, die Journalistin und England-Emigrantin Emmy Damerius, die 1945 aus dem Zuchthaus kommende Holland-Emigrantin Maria Rentmeister, die Journalistin und Frankreich-Emigrantin Edith Hauser, die KPD-Abgeordnete im Preußischen Landtag Friedel Malter, die langjährige SPD-Reichstagsabgeordnete Toni Wohlgemuth, die einstige ISK-Funktionärin und Journalistin Rose Gerisch, die 1945 aus dem KZ Ravensbrück befreite Trude Marx, die 1933 bis 1945 illegal in Deutschland arbeitende Journalistin Magda Sendhoff, die Leiterinnen der Landesfrauenausschüsse Helene Ansahl aus Sachsen, Luise Nierste aus Mecklenburg, Gertrud Cerny aus Sachsen-Anhalt, Emmi Czarnetzki aus Brandenburg und Margot Hoffmann aus Thüringen ... Magda Sendhoff beklagte bereits 1956 in einem Schreiben an die DFD-Vorsitzende das Vergessen und den Ausschluss der Gründerinnen von 1947. Doch auch viele Gründerinnen aus der SED beschreiben in ihren Erinnerungen ihre Arbeit im Frauenbund nur als Fußnote in ihrem Leben. Mit 14 Frauen war die CDU im Gründungskomitee die zweitstärkste Gruppe und die größte Oppositionsgruppe. Mina Amann gehörte hier zu den exponierten Frauen. Sie kam aus der christlichen Gewerkschaftsbewegung, hatte im Kreis um Wilhelm Leuschner illegale Widerstandsarbeit in Berlin geleistet und war 1946 im Frauensekretariat des FDGB tätig. Sie verließ Ende Januar 1947 das Gründungskomitee, ging 1949 mit Jacob Kaiser in den Westen, nach Königswinter. Else Lüders, das älteste Gründungsmitglied, repräsentierte die von Minna Cauer geführte bürgerliche Frauenbewegung. Sie gehörte mit der Ärztin Margarete von der Esch aus Halle und der Schweriner Betriebsrätin Christa Müller zu den CDU-Frauen, die das Gründungskomitee nicht verließen. Bis zu ihrem Tod 1948 war Else Lüders eine der stellvertretenden DFD-Vorsitzenden. Die Liberaldemokratinnen waren mit 12 Frauen im Gründungskomitee vertreten, von denen die Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Frieda Radel die damals bekannteste Vertreterin war. Wilhelmine Schirmer-Pröscher, später Berliner Stadträtin und Alterspräsidentin der Volkskammer, stand 1946 im Schatten von Helene Beer und Nora Melle, die beide erst 1945 die politische Bühne betraten. Helene Beer, bis 1949 stellvertretende DFD-Vorsitzende und danach Bezirksrätin für Ernährung in Berlin-Treptow, zog sich nach 1950 aus der politischen Arbeit zurück und lebte in West-Berlin. Nora Melle gründete 1948 als Gegenmodell zum DFD für Berlin und die westlichen Besatzungszonen den später benannten Staatsbürgerinnenverband, leitete den Vorläufer des Deutschen Frauenrates und organisierte bundesweite Aktionen für Flüchtlinge aus der DDR. Das einzige noch lebende Gründungsmitglied des DFD kommt aus der LDPD, später FDP: Ella Barowski, die sich als Fachfrau in der Westberliner Senatsverwaltung und als Leiterin des Lette-Vereins einen Namen machte. Von den 12 Gründerinnen aus den Reihen der LDPD übernahm neben Wilhelmine Schirmer-Pröscher nur Gertrud Thürmer aus Dresden für ein Jahr als Landesvorsitzende eine höhere DFD-Funktion. Emmi Kalla-Heger, später Kulturfunktionärin in Berlin-Köpenick, und die Pädagogin Jenny Beeck, Schulleiterin in Halle, gehören zu den vergessenen DFD-Gründerinnen aus den Reihen der LDPD, wie Mayken Fischer und die Pädagogin und Stadträtin Erna Wenk aus Magdeburg. Katharina von Kardorff, die in den Gründungsdokumenten ebenfalls genannt wird, bestritt in ihren Lebenserinnerungen ihre Mitarbeit. Die erste Vorsitzende des DFD, die Ärztin Anne-Marie Durand-Wever, kam aus den Reihen der parteilosen Frauen. Sie hatte sich in der Weimarer Republik im Ärztinnenverband und in der Sexualberatung engagiert. Das Gründungskomitee und den DFD leitete sie 1947 bis 1948 mit großem diplomatischen Geschick und Idealismus. Als Ende 1947 ihre Vorstellungen von gesamtdeutscher Verbandsarbeit mit denen der Sozialistinnen im DFD zu kollidieren begannen, zog sie sich aus der DFD-Arbeit zurück und trat 1950 aus dem DFD aus. Sie gründete in der Bundesrepublik Pro Familia. Zu den prominentesten Vertreterinnen ohne Parteibuch gehörte die Wissenschaftlerin Paula Hertwig, Professorin in Halle und ein Jahr lang Vorsitzende des DFD-Landesverbandes Sachsen-Anhalt. Ihr Bemühen, zwischen der alten und neuen Frauenbewegung zu vermitteln, scheiterte. Sie war in der DDR als Wissenschaftlerin anerkannt und bekannt, verließ aber als Rentnerin 1972 das Land. Der gemeinsame Wille, eine neue Frauenbewegung für und in Deutschland zu schaffen, wurde v...

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