Chicago verklagt Trump-Regierung

»Zufluchtsorte« für Einwanderer sollen bei mangelnder Kooperation Bundesmittel verlieren

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch Coldplay, eine der erfolgreichsten Rockbands der vergangenen Jahrzehnte, hat sich in ihrem jüngst veröffentlichten Video zum Song »Miracles (Someone Special)« für Migranten stark gemacht. Chris Martin besingt darin die bunte Vielfalt der Einwanderungsgesellschaft in den USA. Der amtierende Präsident will »Gottes eigenes Land« lieber abschotten und hat mit seinen Einreisedekreten auch die sogenannten Sanctuary Cities im Visier - einwandererfreundliche Städte wie New York, San Francisco, Boston oder Los Angeles. Weit über 100 Kommunen, Landkreise und sogar ganze Bundesstaaten haben sich in den USA zur Aufnahme von Einwanderern unabhängig von deren Status bekannt. Nun reichte die Drei-Millionen-Metropole Chicago am Südwestufer des Michigansees bei einem US-Bezirksgericht Klage gegen die Bundesregierung ein, die erste ihrer Art.

Wie Bürgermeister Rahm Emanuel von den Demokraten, einst Stabschef im Weißen Haus unter Barack Obama, am Montag (Ortszeit) erklärte, wolle man sich so gegen die angedrohte Kürzung von Bundesmitteln für die öffentliche Sicherheit in seiner Stadt wehren. Diese Strafmaßnahme hatte Präsident Donald Trump angeordnet, sollten Kommunen im Kampf gegen illegale Einwanderung - eines seiner wichtigsten Wahlversprechen - nicht wie gewünscht mit den Bundesbehörden zusammenarbeiten. Laut den von September an geltenden Vorschriften des Justizministeriums müssen die lokalen Dienststellen den Einwanderungsbehörden des Bundes freien Zugang zu ihren Gefängnissen gewähren. Sie sollen zudem zwei Tage im voraus informieren, wenn sie einen wegen Einwanderungsvergehen gesuchten Häftling freilassen wollen.

Das aber mache die Gefängnisse de facto zu Bundeseinrichtungen und verletzte die verfassungsmäßigen Rechte der Häftlinge, heißt es in der Klageschrift. Wie Emanuels Rechtsberater Ed Siskel vor der Presse betonte, liefen die neuen Auflagen der lang etablierten Zusammenarbeit zwischen städtischen Strafverfolgungsbehörden und Einwanderern entgegen. Die Regierung schaffe mit ihrer Rhetorik und ihren Drohungen »eine Kultur und ein Klima der Angst«. Mit der Klage wolle man auch einen Präzedenzfall verhindern, der es Washington ermöglicht, andere Zuschüsse zurückzuhalten.

»Sanctuary Cities«, was sich mit Zufluchtsstädte übersetzen lässt, verweigern die Kooperation, um Migranten ohne Papiere zu finden, festzusetzen und abzuschieben. Ihnen will Washington deshalb staatliche Zuschüsse zur Ausstattung der örtlichen Polizei streichen. Im Falle Chicagos waren das im Vorjahr 2,3 Millionen Dollar (rund 1,9 Mio. Euro), die unter anderem für den Kauf von Polizeiautos, Computern und Taser-Pistolen ausgegeben wurden. Doch Chicago werde sich »nicht erpressen lassen, unsere Werte zu ändern. Wir sind und bleiben eine Stadt, die Menschen willkommen heißt«, begründete Bürgermeister Emanuel im Fernsehsender CNN die Klage, in der Jeff Sessions namentlich genannt wird.

Der Justizminister warf Chicago umgehend in scharfen Worten eine »Kultur der Gesetzlosigkeit« vor; der Stadt seien illegale Einwanderer wichtiger als die Sicherheit der Polizei oder ihrer Bürger. Die Vertreter der drittgrößten US-Metropole hätten bei der Durchsetzung von Gesetzen zur Verringerung der Kriminalität »offene Feindseligkeit« gezeigt. Die Administration werde »nicht einfach Zuschüsse an Stadtregierungen vergeben, die stolz gegen die Rechtsstaatlichkeit verstoßen und kriminelle Ausländer auf Kosten der öffentlichen Sicherheit beschützen«.

Für Emanuel ist die Politik der Trump-Regierung einfach nur »kontraproduktiv« bei der Lösung der Probleme. Und sie dürfte mit den jüngsten Plänen für eine Neuregelung der legalen Migration eine weitere Zuspitzung erfahren - könnte mit einem im republikanischen Lager angedachten Gesetz doch die Zahl der Einwanderer in die Vereinigten Staaten binnen zehn Jahren halbiert werden. Danach würden für eine permanente Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis jene bevorzugt werden, die Englisch sprechen, gut ausgebildet und finanziell in der Lage sind, für sich samt Familie zu sorgen. Gut im Rennen um eine Greencard läge auch, wer ein hoch bezahltes Jobangebot vorweist oder ein Unternehmen gründen will. Familiäre Beziehungen dagegen würden als Faktor erheblich an Bedeutung verlieren, so wie die bisherige Verlosung von Greencards. Mit Agenturen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.