Räuber und Engel

Im Kino: »Kedi - Von Katzen und Menschen« von Ceyda Torun

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie kamen mit den Schiffen in die Stadt, die sie der Ratten wegen hielten: die vielen Katzen von Istanbul. Weshalb es denn auch Katzen aller Arten gibt in einer Stadt, in der sie, glaubt man diesem Film, in den volkstümlicheren Vierteln zu Hunderttausenden frei herumspazieren, von einer katzenfreundlichen Bevölkerung gefüttert, gestreichelt, gelegentlich gescheucht und medizinisch versorgt. Und ansonsten in Ruhe gelassen.

Wild sind sie nicht, die sieben Straßenkater und Straßenkatzen, die Filmemacherin Ceyda Torun mit Charlie Wuppermann an der Kamera in ihrem städtischen Alltag und mit einer Kamera auf Katzenperspektive vorstellt. Was schon mal nahelegt, dass sich in allen Fällen schon von kleinauf jemand der Katzen annahm, dass sie den Umgang mit Menschen früh lernten. Tatsächlich sind verschiedentlich Ansammlungen von Kästen und Kartons im Bild, improvisierte Hütten, in denen Katzenfamilien Schutz finden. Trotzdem: Hauskatzen sind sie nicht.

Jede der sieben porträtierten Katzen hat ein Umfeld, eine Gegend, eine Gruppe von Menschen, die sich um sie kümmert. Menschen, die sich der Katzen annehmen und im Gegenzug Wärme und Zuneigung bekommen und das Gefühl, von jemandem gebraucht zu werden. Territorial sind sie beide, Katzen wie Menschen - der eine oder andere Kampf auf Katzenebene und das eine oder andere Wort in der Art »Menschen hat die Katze viele, aber ich bin ihr Haupt-Mensch, alle anderen sind nur Nebendarsteller« fallen auch gelegentlich. Am Ende aber bleibt man frei, sich jenseits der gemeinsam verbrachten Zeit auch um andere Dinge zu kümmern, seine eigenen Wege zu gehen.

Wie gut das zu funktionieren scheint, ist angesichts der steigenden Bevölkerungszahlen auf beiden Seiten schon erstaunlich. Für manche der menschlichen Hauptdarsteller in diesem Film sind die Katzen ganz ausdrücklich Therapie, ihre Gegenwart ein Zugewinn, der eigene Wunden heilt. Mancher muss beim Tierarzt anschreiben lassen und verwendet das eigene Trinkgeld dafür, die Katz‘ auch medizinisch zu versorgen. (An Bevölkerungsplanung scheinen dabei allerdings die wenigsten zu denken.) Für manche haben die Katzen in ihrem Leben etwas mit Gott zu tun, der doch offensichtlich wohlgefällig auf den Menschen blicken muss, wenn er ihm Katzen schickt.

Alle, und das ist vielleicht die größte Besonderheit an diesem Film, kennen »ihre« Katze genau, ihre Eigenarten und Vorlieben, ihre Lebensgeschichte, ihre Partner. Sie haben Charakter, diese sieben - und natürlich sehen sie auch alle hinreichend unterschiedlich aus, damit der Zuschauer nicht den Überblick verliert. Dass es um sie herum noch ein ganzes Meer weiterer Katzen gibt, wird aber auch deutlich. Dass nicht jede Katzengeschichte glücklich ausgeht, dass Katzen krank werden, sich gegenseitig verletzen oder unter Autos geraten, bleibt auch nicht gänzlich außen vor. Oder dass immer mehr gebaut wird, die Häuser höher werden, die Straßen breiter, die Grünflächen seltener. Und wenn auch der letzte Fischer den industriellen Fangflotten gewichen sein wird, wird es schlecht aussehen für die Katzen von Istanbul.

Das Hauptaugenmerk des Films aber liegt auf dem, was eine Gemeinschaft gewinnt, wenn sie ihren Lebensraum mit Katzen teilt. Es sprechen die Menschen, die mit den Katzen zu tun haben: die Fischer und Fischverkäufer, um deren Fang sie sich balgen. Die Straßenkehrer, Markthändler und kleinen Ladenbesitzer, deren Weg sie täglich kreuzen. Eine junge Malerin mit Kopftuch, Pluderhosen und frechem Pinselstrich, die die Grazie der Tiere schätzt. Ein Comic-Zeichner mit schwieriger Kindheit, der auf die Katze kam, weil das Zeichnen eine einsame Tätigkeit ist. Eine Katzenmutti in einer Wohnung voller Krimskrams, die täglich töpfeweise Huhn und Nudeln kocht, um die Katzen des halben Viertels zu versorgen. Und der Betreiber eines Fischrestaurants am Hafen, für den es wichtig ist, dass jemand die Kanalratten fängt, die sonst seinen Kunden ins Gehege kämen. Denn: wo Menschen essen, da sollte es keine Ratten geben. Der Katzen dagegen können es nie genug sein.

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