Sachsens »Sonderweg« bei Pflege

Eine neue Datenbank erlaubt es, im eigenen Quartier nach geeigneten Angeboten zu suchen

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer in der nordsächsischen Gemeinde Beilrode Pflegebedarf hat, kann im Umkreis von 20 Kilometern 176 Angebote finden: von der Begegnungsstätte der Volkssolidarität über eine mobile Fußpflege bis zum »Süptitzer Speiseservice«. In Seiffen im Erzgebirge sind es immerhin 59 Angebote, darunter eine Seniorenwohngemeinschaft. Eine Fußpflege kommt allerdings bisher nicht ins Haus.

Derlei Auskünfte liefert eine neue, landesweite Datenbank, die jetzt ans Netz gegangen ist. Unter »www.pflege.sachsen.de« können sich Pflegebedürftige und ihre Angehörigen mit wenigen Klicks darüber informieren, wo es in der Nähe ihrer Wohnung Pflegeheime und ambulante Pflegedienste gibt, aber auch Einkaufs- und Mahlzeitendienste, Nachbarschaftshelfer oder Selbsthilfegruppen. Insgesamt gibt es 7200 Einträge.

Die Datenbank ist Ausdruck eines Sonderwegs, den Sachsen beim Thema Pflege geht. Im Freistaat wie in der gesamten Bundesrepublik haben Pflegebedürftige seit 2009 einen gesetzlichen Anspruch auf eine wohnortnahe Beratung. In fast allen Bundesländern wird dieser durch die Einrichtung von Pflegestützpunkten umgesetzt. Diese seien »zentrale Anlaufstelle für Hilfesuchende« und gleichzeitig der Ort, an dem pflegerische, medizinische und soziale Hilfsangebote vermittelt werden, hieß es zur Erklärung in einer Broschüre des Bundesgesundheitsministeriums.

Derlei Pflegestützpunkte existieren inzwischen bundesweit in großer Zahl; von bis zu 550 solcher Einrichtungen ist die Rede, verteilt in 14 der 16 Bundesländer. In Brandenburg etwa werden 19 Stützpunkte betrieben, Mecklenburg-Vorpommern hat zwölf solcher Anlaufstellen im Land verteilt, in Rheinland-Pfalz sind es gar über 100. Zwei Bundesländer haben sich indes für eine andere Lösung entschieden: Sachsen und Sachsen-Anhalt. »Wir setzen auf die vernetzte Pflegeberatung«, sagt die sächsische Sozialministerin Barbara Klepsch (CDU). Das Konzept sei bereits 2009 entwickelt worden, betont die Ministerin - also bevor die Pflegestützpunkte quasi erfunden wurden. Einen Wechsel zu dieser Struktur, bei der quasi Knotenpunkte im Land verteilt werden, lehnte man nach reiflicher Überlegung ab. »Für uns ist der gesamte Freistaat wichtig«, formuliert es Klepsch. Sachsen-Anhalt zog 2010 mit einem ähnlichen Konzept nach.

Beim sächsischen Ansatz arbeiten Landkreise und kreisfreie Städte mit anderen Beteiligten wie den Pflegekassen zusammen. Deren größte, die AOK Plus, betreibt bereits seit 2008 ein Netz eigener Beratungsstellen, in denen 2016 rund 27 700 Gespräche stattfanden, sagt Claudia Schöne, Bereichsleiterin Pflege bei der AOK. Deren und die Angebote anderer Anbieter werden seit 2015 von Pflegekoordinatoren abgestimmt, von denen es in jedem Kreis mindestens einen gibt und deren Arbeit der Freistaat mit 520 000 Euro im Jahr finanziert. Mit der neuen Datenbank werden die Angebote nun übersichtlich aufbereitet und leicht zugänglich gemacht - vorausgesetzt, die Betroffenen nutzen das Internet.

Die Nachfrage wird groß sein, sagt Dresdens Sozialbürgermeisterin Kris Kaufmann (LINKE) voraus. Allein in der Landeshauptstadt seien 15 000 Menschen pflegebedürftig, Tendenz stark steigend. Welche Hilfe und Unterstützung benötigt wird, ist höchst unterschiedlich. Die neue Datenbank erlaube es, im eigenen Quartier nach geeigneten Angeboten zu suchen. Sie sei gleichzeitig ein wichtiges Instrument für »Sozialplaner«, sagt Kaufmann. Diese könnten örtliche Lücken im Netz der Pflegeleistungen aufspüren. Nachbarschaftshelfer etwa gibt es im Dresdner Stadtteil Johannstadt immerhin 21. In Dürrhennersdorf in der Oberlausitz dagegen findet sich auch in einem Umkreis von 20 Kilometern kein einziger.

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