Nicht mehr nur zusehen

Berliner Juso-Chefin Annika Klose will schiffbrüchige Geflüchtete im Mittelmeer retten

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 3 Min.

Obwohl die Sea-Eye ihre Rettungsmission vorerst ausgesetzt hat: Am Dienstag will Annika Klose nach Malta fliegen. »Ich will Leben retten. Vielleicht können wir ja in einer Woche doch in See stechen«, sagt die 25-jährige Berliner Landesvorsitzende der Jusos. Nach der Ankündigung der libyschen Regierung, ausländische Schiffe dürften nur noch mit einer Sondergenehmigung die Küste des Landes ansteuern, hat die Hilfsorganisation Sea-Eye ihre Rettungsmission im Mittelmeer vorerst ausgesetzt.

Eigentlich wollte Klose Ende August von Malta gen Mittelmeer in See stechen. Ihr Plan: Zusammen mit der neunköpfigen Besatzung der Sea-Eye zwei Wochen lang in Seenot geratene Geflüchtete vor der libyschen Küste vor dem Ertrinken retten. Ob das mit Blick auf die aktuelle Lage noch möglich sein wird, ist ungewiss. Klose ist aber weiterhin fest entschlossen. »Ich will selber konkrete Hilfe leisten. Ich habe es nicht mehr ausgehalten, einfach nur zuzusehen, wie im Mittelmeer fast täglich vor Krieg und Hunger flüchtende Menschen ertrinken«, erklärt die überzeugte Sozialdemokratin ihre Motivation.

»Eigentlich bin ich eine ziemliche Landratte«, sagt die Politikstudentin. Als sie vor ein paar Jahren durch Australien reiste, sei sie für zwei Tage mit einem Segelboot auf dem Indischen Ozean unterwegs gewesen, um sich das Great Barrier Reef anzuschauen. Das war bisher ihre einzige nautische Erfahrung. »Seekrank wurde ich damals nicht. Ich scheine also durchaus seetauglich zu sein«, sagt sie.

Den Entschluss für ihren freiwilligen Rettungseinsatz auf der Sea-Eye, einem von der gleichnamigen Nichtregierungsorganisation umgebauten Fischkutter, habe sie im Juni gefasst. Damals hatten sich die Nachrichten über gekenterte Flüchtlingsboote und ertrunkene Migranten gehäuft. »Jeder weiß, welche Dramen sich auf dem Mittelmeer immer und immer wieder abspielen. Ich habe mich freiwillig gemeldet, um das Gefühl der Hilflosigkeit zu durchbrechen.«

Es sei zwar wichtig, dass die SPD die Forderung nach der Wiedereinführung einer europäischen Seenotrettungsaktion in ihr Programm für die Bundestagswahl geschrieben habe.

Aber: »Faktisch gibt es derzeit keine staatlich organisierte Rettungsmission. Daher liegt es in der Hand privater Hilfsorganisationen, akut Menschenleben zu retten.«

Die Crew der Sea-Eye hat bis zur Ankündigung der libyschen Regierung in internationalen Gewässern in Seenot geratene Geflüchtete aufgenommen, sie erstversorgt und dann an größere Schiffe der italienischen Küstenwache übergeben. Diese haben die Migranten auf die Insel Lampedusa nach Italien gebracht.

Sollte es mit ihrem Einsatz klappen, will Klose sich an allen Aufgaben, die auf dem Schiff anfallen, beteiligen. Das heißt: Vier Stunden pro Tag nach schiffbrüchigen Booten Ausschau halten, kochen, putzen, die Maschinen überprüfen. Wenn ein Einsatz ansteht, wird Klose als Funkerin auf einem Rettungsboot den Kontakt zur Schiffsleitung halten.

Die junge Sozialdemokratin weiß, dass ein Rettungseinsatz dramatisch sein kann. »Ich habe echt Respekt davor.« Der große Zuspruch von Freunden und Familie, den sie für ihr Engagement bekommt, gibt ihr viel Kraft, sagt sie. Allerdings erntet Klose für ihren geplanten Hilfseinsatz nicht nur Unterstützung. In sozialen Netzwerken wird sie als »Schlepper-Helferin« und »Naiver Gutmensch« beschimpft. Den Hass-Botschaften hält Klose selbstbewusst entgegen: »Ich weiß, dass ich das Richtige tue.«

Während ihrer Zeit auf der Sea-Eye will Klose ein Videotagebuch führen, um die Eindrücke vom Mittelmeer für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen und politisch für eine europäische Seerettungsaktion zu werben. Den Vorwurf, dass ihr Engagement durch die Videodokumentation zur Wahlkampfveranstaltung mit dem Geschmäckle der persönlichen Selbstprofilierung verkomme, weist Klose zurück: »Ich möchte die persönliche Komponente dazu nutzen, Aufmerksamkeit für eine anhaltende humanitäre Tragödie zu nutzen.«

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.