Grundrechtekomitee kritisiert Polizei für Vorgehen bei G20

In einem Bericht spricht Bürgerrechtsorganisation von unverhältnismäßiger Gewalt / Klage gegen Polizei vor Hamburger Verwaltungsgericht

  • Florian Haenes
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Bürgerrechtsorganisation »Komitee für Grundrechte und Demokratie« fordert die Einrichtung einer unabhängigen Untersuchungskommission, um die Eskalation der Gewalt während der G20-Proteste in Hamburg aufzuklären. In einem am Dienstag veröffentlichten Beobachtungsbericht kritisiert die aus der Friedensbewegung hervorgegangene Organisation das Vorgehen der Polizei während des Gipfels. Diese sei außer Kontrolle geraten, habe sich über Gerichtsentscheidungen hinweggesetzt und Gewalt unverhältnismäßig eingesetzt.

Im Bericht heißt es, die eigens für die G20-Proteste eingerichtete Gefangenensammelstelle sei für die teils 30 Stunden dauernde Freiheitsentzüge nicht ausgestattet gewesen. Schlafplätze hätten gefehlt. Die Versorgung mit Lebensmitteln sei mangelhaft gewesen. Der Zugang von Anwälten sei in mehreren Fällen verhindert worden. Das Komitee bemängelt außerdem den systematischen Einsatz von Pfefferspray. Dessen Nutzung sei zu Lasten deeskalierender Polizeistrategien gegangen und habe Gewalt begünstigt. Zudem hätten sich Polizisten häufig vermummt und seien ohne Länder- und Erkennungszeichen aufgetreten. Journalisten seien gezielt mit Wasserwerfern attackiert worden. Lautsprecheransagen der Polizei seien häufig nicht zu verstehen gewesen. Das Handeln der Polizei war aus Sicht der Demonstranten entsprechend unvorhersehbar. Auch wird kritisiert, dass friedliche Demonstrationen anlasslos gefilmt worden seien.

Unverständnis äußert das Grundrechtekomitee für das Verhalten der Einsatzkräfte gegenüber einem Protestzug am 7. Juli. Dieser hatte sich außerhalb der vom rot-grünen Senat eingerichteten Demonstrationsverbotszone befunden. Trotzdem sei der Protestzug von der Polizei in der Straße Rondenbarg attackiert worden, nach einer Zeugenaussage mit Knüppeln, Faustschlägen und Tritten. Ein weiterer Zeuge berichtete, es habe sich um einen regelrechten Überfall der Polizei gehandelt. Bei der Flucht über einen Zaun hätten sich mehrere Demonstranten teils schwer verletzt.

Das Komitee erneuert seine Kritik an der Einrichtung der Verbotszone, durch den rot-grünen Senat. In ihr sei der Polizei die Hoheit über Bürgerrechte übertragen worden

Seinen Bericht hatte das Grundrechtekomitee mit Hilfe von 43 Demonstrationsbeobachtern verfasst, außerdem Blogeinträge und Medienberichte ausgewertet und Interviews geführt.

Die rot-grüne Koalition in Hamburg wird voraussichtlich noch vor der parlamentarischen Sommerpause einen Sonderausschuss einrichten. Der soll laut SPD-Fraktion klären, wie es trotz Anstrengungen der Polizei zu Gewaltexzessen von Demonstranten gekommen ist. In erster Linie wird es dabei um die Ausschreitungen im Schanzenviertel gehen.

Die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft lehnt den Sonderausschuss ab. Sie fordert stattdessen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss - für Zeugen besteht in diesem bei einer Aussage Wahrheitspflicht. Die Linksfraktion wirft seit längerem einem Polizeidirektor eine Falschaussage vor dem Innenausschuss vor. Dieser hatte das Vorgehen der Polizei in der Straße Rondenbarg gerechtfertigt: Demonstranten hätten Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper geworfen. Die LINKE gibt jedoch an, die Aussage mit Videoaufnahmen widerlegen zu können, die von »Süddeutscher Zeitung« und dem NDR-Magazin »Panorama« veröffentlicht wurden. Die Polizei hatte wiederum interne Aufnahmen vorgelegt, die die Aussage des Polizeidirektors stützen soll.

Das Grundrechtekomitee fordert eine parteiunabhängige Untersuchungskommission, die aus Sachverständigen bestehen soll. Ihr Ziel soll sein, die Gewalteskalation zu analysieren. Dafür sollen Zeugen angehört werden. Zudem soll die Kommission die Befugnis erhalten, amtliche Dokumente einzusehen.

Weitere Aufklärung könnte bald ein Verfahren am Verwaltungsgericht Hamburg bringen. Am Montag haben dort zwei Demonstranten Klage eingereicht. Laut ihrem Anwalt richtet sie sich gegen die Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt durch Beamte der Bundespolizei - ebenfalls in der Straße Rondenbarg. Derzeit führt die Hamburgische Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den G20-Protesten 56 interne Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte, davon allein 45 wegen Körperverletzung.

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