Wie die SPD den Osten umwirbt
Martin Schulz zieht in Parchim »den Hut« vor den Nachwende-Leistungen – und dabei geht es auch um Geländegewinn gegenüber der Linkspartei
Die SPD versucht, im Osten wieder etwas Boden beim Wähler gutzumachen. »Trotz der dort traditionell schwachen Zahlen bei der Bundestagswahl«, so formuliert es die Nachrichtenagentur dpa, wollen sich die Sozialdemokraten »nicht kampflos geschlagen geben«. Wohin das führt, hat Spitzenkandidat Martin Schul bei einem Auftritt in Parchim demonstriert, wo er versprach, sich für eine bessere Anerkennung der Lebensleistungen im Osten etwa im Rentenrecht stark zu machen.
Dies ist auch im Wahlprogramm der Sozialdemokraten so verzeichnet, es geht um einen Fonds für jene, »die bei der Überleitung der Alterssicherung der DDR in das bundesdeutsche Recht erhebliche Nachteile erlitten haben, die im Rentenrecht nicht lösbar sind« - also unter anderem um die unzureichende Anerkennung der Ansprüche von Geschiedenen, Beschäftigten der Braunkohleveredelung oder Krankenschwestern. Glaubt man der sächsischen Integrationsministerin Petra Köpping, sei es ihr erst nach langem Ringen gelungen, diesen Härtefalltopf ins Wahlprogramm hineinzudrücken. »Natürlich kann damit nicht jedes Unrecht beseitigt werden«, zitierte sie die »Frankfurter Allgemeine«. Der Fonds könne aber zeigen, »dass die Politik Fehler anerkennt und versucht, diese zu heilen«.
Das langsame Verschwinden des Ostens In den Wahlprogrammen der meisten Parteien spielen die »neuen Länder« keine besondere Rolle mehr
Um »Heilung« geht es wohl auch SPD-Chef Schulz, der im mecklenburgischen Parchim sagt, er selbst sei im Westen privilegiert aufgewachsen und ziehe deshalb den Hut vor dem, was die Menschen seiner Generation im Osten unter unverhältnismäßig schwierigeren Bedingungen nach der Wende geschaffen hätten. »Der Osten dieses Landes ist ein starker Teil der Bundesrepublik«, sagt Schulz – vielleicht auch ein bisschen deshalb, weil die SPD in eben jenem Teil des Landes nicht so stark ist. Jedenfalls bei Bundestagswahlen.
2013 waren die Sozialdemokraten in Ostdeutschland mit weniger als 20 Prozent nur drittstärkste Kraft hinter CDU und Linkspartei geworden. Bei der Abstimmung in knapp sechs Wochen kommt noch die Rechtsaußenpartei AfD mit dazu, die im Osten überdurchschnittlich stark ist. In Mecklenburg-Vorpommern hatte die SPD zur Bundestagswahl vor vier Jahren mit 17,8 Prozent eines ihrer schlechtesten Ergebnisse erzielt. Im Frühjahr hatte der Chef der ostdeutschen SPD-Bundestagsabgeordneten, Stefan Zierke, »mehr Präsenz« seiner Partei im Osten gefordert und daran erinnert, dass die fünf neuen Länder »immer den Ausschlag für den jeweiligen Bundeskanzler« gegeben hätten.
Wer sich auf der Website des Forums Ost der SPD umschaut, wird freilich enttäuscht. Dort ist seit vergangenem September nichts Neues mehr erschienen. Wenn dann plötzlich Politiker wie die SPD-Vize Manuela Schwesig den Osten wiederentdecken und mehr Respekt vor der Lebensleistung der Menschen sowie eine Angleichung ihrer Löhne und Renten an das Westniveau fordern, wird jemand wie Dietmar Bartsch auch schon mal ein bisschen sauer. »Statt wie Manuelas Schwesig Ostdeutsche für dumm zu verkaufen«, twitterte der Linkspartei-Spitzenkandidat, müsse die Angleichung der Löhne und Renten »im nächsten Koalitionsvertrag stehen«. Soll heißen: Die SPD hat immer nur geredet, aber die Regierungsbilanz der Großen Koalition sieht anders aus.
Bartsch hat dieser Tage gemeinsam mit dem früheren Linksfraktionschef Gregor Gysi eine »Allianz für Ostdeutschland« gefordert. Das Papier, das im Titel den Namen des CDU-Wahlbündnisses der Märzwahlen von 1990 in der DDR ironisch aufgreift, stellt Forderungen auf, um »endlich Gerechtigkeit für die Menschen in den neuen Bundesländern zu schaffen«. Es soll »ein Angebot zur Diskussion« sein, ausdrücklich sind auch »die anderen Bundestagsparteien« aufgerufen, »sich dieser Allianz anzuschließen« - eine Offenheit, die wohl auch wahltaktisch bedingt ist. Man will nicht als jemand dastehen, dem man vorwerfen könnte, das Thema Osten bloß im Wahlkampf zu instrumentalisieren.
Freilich, die Linkspartei beackert den Osten auch nicht nur aus Solidarität und Herkunft, es ist die traditionelle Bastion der Partei, die einmal PDS war und aus der SED hervorging. Der Zuspruch für die Linkspartei in Ostdeutschland ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen, das hat etwas mit Demografie zu tun, mit neuen Generationen, aber nicht nur. Es sei »klar, dass man den Osten anders thematisieren muss als in den frühen 1990er Jahren«, so hat es unlängst Linksfraktionsvize Jan Korte im »nd« formuliert. »Aber ebenso klar ist, dass man ihn thematisieren muss.«
Und Schulz‘ Auftritt in Parchim? Der ist für die SPD nicht ganz umsonst geblieben. Die Deutsche Presse-Agentur meldet, die SPD habe »ihren Anspruch als Sachwalterin auch ostdeutscher Interessen bekräftigt«. In sechs Wochen erfahren die Sozialdemokraten, wie das die Leute in den neuen Ländern mit ihrer Wirklichkeit zusammenbringen. Mit Agenturen
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