Breschen in der Boykottmauer
Das Emirat Katar bietet dem aggressiven Nachbarn Saudi-Arabien erfolgreich die Stirn
Eigentlich müsste Katar politisch längst am Ende sein. Schließlich haben das Nachbarland Saudi-Arabien sowie dessen arabische Verbündete Bahrain, Vereinigte Arabische Emirate (VAE), Mauretanien und Ägypten das Emirat von der Landseite her blockiert, ihren Luftraum für Katar gesperrt und sogar indirekt mit Invasion gedroht. Auch wurden 13 Forderungen aufgestellt und mit einem kurzfristigen Ultimatum versehen, von denen jede einzelne einen tiefen Einschnitt in die nationale Souveränität dargestellt hätte.
Das ist jetzt zehn Wochen her. Das Katar gesetzte Ultimatum verstrich bereits am 21. Juni, ohne dass Saudi-Arabiens Erpressung nachgegeben worden wäre. Im Gegenteil. Riads Verbündete haben in den vergangenen Tagen offenbar ohne Absprache mit Saudi-Arabiens König Salman einige Restriktionen gegen Katar klammheimlich aufgehoben. Doha, die Hauptstadt Katars, bis dato eines der am meisten frequentierten Luftdrehkreuze im Nahen Osten, hatte zuletzt nur noch mit iranischen Flughäfen normalen Linienverkehr.
Nun, da die Nachbarn Bahrain und VAE ankündigten, die Flugkorridore nach Katar wiederzueröffnen, kann Qatar Airways, ein Hauptsponsor des Fußball-Weltverbandes, seine 200-Maschinen-Flotte wieder auslasten. Sicher war dabei auch Druck der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) in Montréal mit im Spiel. Qatar Airways hatte dort Klage eingereicht wegen Verstoßes gegen die internationalen Luftverkehrsregeln durch die saudische Allianz.
Ohne der UN-Unterorganisation ICAO zu nahe zu treten - die Angst vor ihrem Urteil dürfte weniger ausschlaggebend für das uneingestandene Zerbröseln des saudischen Ad-hoc-Bündnisses gegen Katar gewesen sein. Eher war das die Parteinahme der großen regionalen Akteure Iran und Türkei für das bedrängte Katar. Salman hat da lupenreine Selbsttore geschossen. Der Druck Riads auf Katars Emir Scheich Tamim bin Hamad al-Thani, die Beziehungen zu Iran abzubrechen, hat im Gegenteil dazu geführt, dass diese in einem Maße ausgebaut wurden, wie es sonst kaum in diesem Tempo geschehen wäre. Aufgrund der saudischen Blockade kommt nun ein großer Teil jener Waren, die vorher über Katars einzige Landgrenze eingeführt wurden, auf dem Luft- oder Seeweg über den Persischen Golf. Das ist zwar momentan um einiges teurer. Aber Geldsorgen hat der Staat mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen wahrlich nicht. Laut Angaben der katarischen Staatsbank schrumpften die Rücklagen seit Verhängung der Blockade am 5. Juni um 24 Milliarden Dollar. Die Höhe des Staatsfonds mit den Erlösen der Erdgas-Förderung wird allerdings mit 180 Milliarden Dollar angegeben, die nicht irgendwo in Aktien oder Immobilien festliegen, sondern angeblich kurzfristig abrufbar sein sollen.
Auch bei einem weiteren Punkt seiner Erpresserliste hatte König Salman schlechte Berater. Katar sollte den türkischen Stützpunkt im Lande sofort schließen. Für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan war das wie eine Steilvorlage. In der arabischen Welt derzeit ansonsten ziemlich isoliert, bot Erdogan Katar sofort militärische Unterstützung an. Vergangene Woche fand das erste gemeinsame Manöver statt.
Danach erklärte der türkische Generalstab genüsslich, die Übung auf dem Lande und zur See habe »die Freundschaft, die Kooperation, die Koordination und die Fähigkeiten der katarischen und der türkischen Streitkräfte« gestärkt. Handelte es sich vorher um einen mehr symbolischen türkischen Posten in Katar, so ist daraus nun ein veritabler Militärstützpunkt geworden, auf dem auch schwere Technik steht. Saudi-arabische Träume, in Katar ebenso unerbeten einzumarschieren wie im März 2011 in Bahrain, um dort die gewünschten politischen Verhältnisse zu implantieren, dürften sich damit erledigt haben. Der militärische Gegner hieße diesmal auch Türkei.
Dieser Tage hat der Leiter der katarischen Tourismusbehörde, Hassan al-Ibrahim, Visafreiheit für 80 Länder verkündet, darunter die meisten europäische Länder, die Türkei eingeschlossen. »Katar ist damit jetzt das offenste Land der Region«, so Ibrahim. Das darf als Ohrfeige gegen Saudi-Arabien verstanden werden. Verkündet hat er das auf Al-Dschasira, dem meistgesehenen Fernsehsender der arabischen Welt, den zu schließen eine der Hauptforderungen Salmans war. Dort ist man sehr schweigsam zur Angelegenheit Katar geworden. Eine Rückkehr Saudi-Arabiens zur Friedfertigkeit sollte daraus allerdings nicht abgeleitet werden.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.